Bauernjagd
Mord an
Heinrich Uhlmann, nehme ich an?«
»Das stimmt«, erwiderte er. »Ich möchte euch ein paar Fragen
stellen.«
»Viel Zeit habe ich allerdings nicht. Ich habe gerade die Bullen
gefüttert. Wenn Marita gleich vom Feld kommt, müssen wir uns sofort ans Melken
machen.«
Sie setzte sich an den Esstisch, sorgsam bedacht, nichts schmutzig
zu machen. Sophia goss ihr eine Tasse Kaffee ein.
»Der ist koffeinfrei, keine Sorge«, sagte sie zu Ada.
Hambrock blickte von einer zur anderen.
»Wenn ihr über den Tod von Heinrich Uhlmann längst Bescheid wisst,
dann habt ihr bestimmt auch schon gehört, dass wir Hedwig Tönnes festgenommen
haben.«
»Stimmt es denn, dass sie auf Polizisten geschossen hat?«, fragte
Sophia besorgt. »Vielleicht …« Sie sah hilfesuchend zu Ada.
»… vielleicht war sie ja betrunken«, beendete Ada den Satz. »Ich
rede ungern schlecht über Nachbarn, Bernhard, aber der Tod von Ewald hat sie
ganz schön mitgenommen. Und sie war auch schon zuvor dem Alkohol nicht
abgeneigt, wenn du verstehst, was ich meine?«
»Sie hat es sich selbst nie leicht gemacht«, schob Sophia
entschuldigend nach.
»Ich möchte euch bitten, ganz aufrichtig zu sein«, sagte er. »Es
geht nicht darum, gut oder schlecht über Nachbarn zu reden. Wir müssen ganz
einfach die Wahrheit wissen, um unsere Arbeit zu tun.«
»Gut«, sagte Tante Ada. »Wir werden ganz offen sein.«
Heike wandte sich an Hambrocks Tanten. »Könnten Sie uns das
Verhältnis zwischen Hedwig Tönnes und Heinrich Uhlmann beschreiben? Und das
zwischen ihr und ihrer Schwester Renate?«
Sophia und Ada wechselten schweigend einen Blick. Ada zuckte mit den
Schultern, und Sophia begann zögernd zu berichten.
»Nun ja, besonders gut haben sie sich nicht verstanden. Aber das ist
auch nicht verwunderlich. Keiner, den ich kenne, versteht sich besonders gut
mit Hedwig Tönnes. Schon als Kinder waren Renate und Hedwig sehr unterschiedlich.
Hedwig war die Ältere, und das hat sie ihre Schwester jede Sekunde spüren
lassen. Renate musste nach ihrer Pfeife tanzen, sonst war was los. Manchmal
ging das so weit, dass es für uns andere Kinder peinlich wurde. Ein richtiger
Machtkampf war das, bei dem Renate keine Chance hatte. Hedwig ist nun mal ein
Tyrann, daran hat sich nicht viel geändert. Heute schottet sich Renate von ihr
ab, zusammen sieht man die beiden nur noch beim Nachbarschaftsfest und
natürlich sonntags in der Kirche. Sonst haben sie kaum noch etwas miteinander
zu tun.«
»Und was ist mit Heinrich Uhlmann?«, fragte Hambrock.
Seine Tanten sahen sich wieder an.
»Ich weiß nicht, ob man diese alten Geschichten wirklich noch mal
aufkochen sollte«, sagte Sophia zweifelnd.
»Es geht hier um einen Mord.«
»Er hat recht«, sagte Ada.
Sophia seufzte. »Also gut. Hedwig Tönnes und Heinrich Uhlmann
konnten sich nicht ausstehen. Sie haben sich regelrecht gehasst. Das hat mit
Hedwigs elterlichem Hof zu tun. Ihr müsst wissen, Hedwig und Renate waren auf
dem Hof die einzigen Kinder, es gab keinen männlichen Nachkommen. Nachdem
Hedwig damals Ewald Tönnes geheiratet hat, ist sie natürlich zu ihm gezogen.
Sie hat aber wohl gedacht, dass nach dem Tod ihrer Eltern die beiden Höfe
zusammengeführt würden. Doch dann hat Renate Heinrich Uhlmann geheiratet, der
zwei ältere Brüder hatte und deshalb über keinen eigenen Hof verfügte. Also hat
er zusammen mit Renate den elterlichen Hof übernommen, er wurde ihnen
überschrieben. Nach der Höfeordnung ist Hedwig so gut wie leer ausgegangen.«
»Der Hof von Tönnes war viel kleiner und ärmlicher«, fügte Ada
hinzu. »Und Ewald war ein Trottel, der nicht wirtschaften konnte.«
»Ada, bitte«, flüsterte Sophia, »du sprichst über einen Toten!«
»Wenn es doch stimmt. Hedwig hat sich damals betrogen gefühlt. Sie
glaubte, der Hof hätte ihr zugestanden. Aber wenn du mich fragst, ist das
Unsinn. Sie hat sich ihr Leben selbst ausgesucht. Da kann sie keinem anderen
die Verantwortung für geben.«
»Wie haben sich Heinrich
Uhlmann und Ewald Tönnes denn verstanden?«, fragte Hambock.
»Sie waren Saufkumpanen«, sagte Ada. »Saufen, das war etwas, wovon
sie beide viel verstanden. Ewald hat auf das Geschimpfe seiner Frau nie viel
gegeben. Wenn es anders gewesen wäre, hätten sie es nicht so lange miteinander
ausgehalten.«
In der Diele ertönte eine Stimme. »Mutter! Tante Ada! Wo seid ihr?«
Sophia wandte sich zur Tür. »Wir sind hier! Im Wohnzimmer.«
Eine Frau in den Dreißigern steckte den
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