Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
Doch so sehr sie sich auch den Kopf zermarterte, ihr fiel einfach
nichts ein.
    Sie stellte schließlich den Besen beiseite und löschte das Licht. Es
war Zeit fürs Abendessen, die anderen warteten bestimmt schon. Sie ließ die
Rolltür des Boxenlaufstalls ins Schloss rattern und zog das Kopftuch herunter.
    Abendliche Ruhe lag über den Stallungen. Die Dämmerung schritt
voran, der Hof war verwaist. Ada spürte die Müdigkeit in ihren Knochen. Wenn
sie wie heute ihren Mittagsschlaf verpasst hatte, zog sich der Nachmittag wie
Kaugummi. Es wurde Zeit, dass sie die Beine hochlegte.
    Sie trat gerade durch die Tennentür, als sie im Augenwinkel wieder
eine Bewegung wahrnahm. Da war ein Schatten gewesen, hinter ihr. Genau wie am
Vorabend, als sie Shakira zum Melken gebracht hatte. Ruckartig drehte sie sich um.
Der Hof lag wie ausgestorben da.
    Trotzdem. Dieses Mal würde sie sich nicht täuschen lassen. Da war
etwas gewesen. Jemand war auf dem Hof.
    Sie fixierte die Stelle an der Hauswand, wo die Bewegung gewesen
war. Nichts zu sehen. Sie lauschte. Eine Weile war alles ruhig. Dann hörte sie
hinter der Hausecke die Gartentür quietschen.
    Annika tauchte in der Tenne auf.
    »Tante Ada, das Essen ist …«
    Ada presste den Finger an die Lippen. Annika begriff sofort und
erstarrte. Ada schob sie zur Seite und schnappte sich die Forke aus der Tenne.
Packte sie mit beiden Händen und ging zurück auf den Hof.
    »Tu das nicht«, flüsterte Annika aufgeregt. »Wir rufen die Polizei.«
    »Quatsch. Bis die hier sind, ist er längst über alle Berge.«
    Entschlossen ging sie an der Hauswand entlang zum Garten. Annika
folgte ihr.
    An der Hausecke hielt Ada inne und holte tief Luft. Dann nahm sie
die Forke und wirbelte um die Ecke.
    In ihrem Beet stand ein Schaf. Stand einfach da und fraß genüsslich
das Silberblatt, das sie erst tags zuvor gepflanzt hatte. Das wunderschöne
Silberblatt.
    Ada warf die Forke auf den Rasen. Das Schaf gehörte diesen Künstlern
aus Münster, die seit einem Jahr auf dem Kotten am Ende der Straße wohnten.
Türen und Fenster waren bunt gestrichen, seltsame Skulpturen standen im Garten,
und auf einer Wiese hielten sie sich ein paar Hühner und eben dieses blöde
Schaf, das längst gelernt hatte, mit der Schnauze das Gatter zu öffnen. Schon
seit Wochen unternahm es regelmäßig Spaziergänge durch die Nachbarschaft. Und
nun stand es hier und fraß Adas Vorgarten leer.
    »Das gibt’s ja wohl nicht!«, schrie sie dem Tier entgegen.
    Das Schaf hielt verwundert mit dem Kauen inne und hob seinen Kopf.
Ada packte so schnell zu, dass ihm keine Chance zur Flucht blieb. Es stieß
einen einzigen erschrockenen Laut aus, dann hatte Ada es bereits am Halsband
und zerrte es aus dem Garten heraus. Das Schaf blökte jetzt, als ginge es um
sein Leben. Doch es war zwecklos.
    »Tante Ada, du tust ihm weh!«, rief Annika, aber Adas Griff war
unerbittlich. Entschlossen steuerte sie den kleinen Kotten am Ende der Straße
an.
    »Na, ihr könnt was erleben!«
    »Tante Ada, bitte!«
    Doch Ada achtete nicht auf sie. Sie zog das stolpernde Tier hinter
sich her wie einen Sack Mehl. Wartet nur!, dachte sie. Und ihre Wut wuchs mit
jedem Meter, den sie sich dem Kotten näherte.
    Als sie zwanzig Minuten später zurück zum Hof ging, merkte sie, dass
ihr Hals schmerzte und ihre Stimme heiser war. Vielleicht hatte sie
übertrieben? Sie dachte an das zarte Silberblatt in ihrem Garten. »Und wenn
schon«, flüsterte sie. »Dann wissen sie jetzt wenigstens, dass sie ihr Schaf
ordentlich festmachen müssen.«
    Ihre eigentliche Wut galt jedoch dem Mörder. Sie fühlte sich
machtlos. Das konnte doch so nicht weitergehen, verdammt noch mal. Sie ging durch
die Tenne und löschte das Licht.
    »Achtung, sie kommt«, hörte sie Annika in der Diele flüstern. Ein
leises Kichern folgte.
    Skeptisch öffnete Ada die Tür. Mitten im Raum kroch Annika auf allen
vieren herum und trug einen Bademantelgürtel um den Hals. Über ihr stand
Marita, sie zerrte am Gürtel und machte ein wütendes Gesicht.
    »Kommst du wohl, du blödes Vieh!«, brüllte sie.
    Die beiden konnten sich kaum halten vor Lachen, doch sie fanden
immer wieder in ihre Rollen zurück.
    »Das hast du das letzte Mal gewagt, meinen Garten leer zu fressen!«
    Woraufhin Annika so panisch aufschrie, dass sie das Gleichgewicht
verlor und unbeholfen zur Seite kippte. Marita stolperte über sie, und im
nächsten Moment lagen die beiden kichernd auf dem Boden. Sophia stand hinter ihnen,
sie lachte

Weitere Kostenlose Bücher