Bauernjagd
ebenfalls und schlug sich die Hände vors Gesicht.
Ada betrachtete die Szene mit unbewegter Miene. Blagen!, dachte sie.
Aber sie spürte, dass ihre Wut bereits verraucht war, lächelte und schüttelte
den Kopf.
»Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder …«, seufzte sie und machte
sich auf den Weg in die Küche.
Es wurde wirklich Zeit, dass sie etwas zu essen bekam.
Die Nacht legte sich über Erlenbrook-Kapelle. Clemens Röttger
war froh, endlich allein zu sein. Gabriele war zum Kegeln gefahren, sie traf
sich einmal pro Monat mit Freundinnen in einer Gaststätte in Altenberge.
Eigentlich hatte sie darauf bestanden, das Treffen abzusagen. Sie wollte bei
ihm bleiben, schließlich war er gerade erst aus dem Krankenhaus gekommen. Doch
Clemens hatte ihr das ausgeredet. »Wir wollen weitermachen wie bisher«, hatte
er gesagt. »Ich will nicht, dass du wegen diesem Anschlag auch noch das Kegeln
absagst. Du freust dich doch immer so darauf.« Sie wäre lieber bei ihm
geblieben, das war ihr deutlich anzumerken, doch schließlich war sie einverstanden
gewesen.
Er ging zur Garderobe, nahm den Schlüssel für die große Halle und
trat vor die Tür. Die Bewegungen fielen ihm schwer, er fühlte sich erschöpft.
Die Fahrt vom Krankenhaus nach Hause, das Festessen, das Gabriele für ihn zubereitet
hatte, und der Gang über den Hof, das alles hatte ihn mehr Kraft gekostet, als
er gedacht hatte. Er war eben bei Weitem noch nicht so fit, wie er sich heute
Morgen bei der abschließenden Visite gefühlt hatte.
Er ließ die Rolltore hinter sich und ging zu der kleinen Seitentür.
Schloss sie auf und ließ die Leuchtstoffröhren aufflammen. Langsam durchschritt
er die Halle. Er musste die Sporttasche verschwinden lassen, das war jetzt das
Allerwichtigste. Sonst würde Gabriele sie am Ende noch finden. Oder sonst wer.
Er umrundete den Mähdrescher. Die Tasche ragte unverändert aus dem
Spind heraus. Er würde sie auf den Dachboden bringen, dorthin ging keiner außer
ihm. Vorsichtig zog er die Tür auf und hob die Tasche an. Ein brennender
Schmerz durchfuhr seinen Brustkasten. Er durfte nicht schwer tragen, das hatten
ihm die Ärzte eingeschärft. Unter größter Anstrengung hievte er die Tasche aus
dem Spind und ließ sie auf den Boden fallen. Danach musste er sich eine Weile
ausruhen. Mit Sorge dachte er an den langen Weg zum Dachboden. Vor allem die
Treppe würde ihm zusetzen.
Er sammelte Kraft. Irgendwie würde es schon gehen.
13
Der Hof von Werner Zumbülte lag direkt an der Hauptstraße,
gut hundert Meter vom Hof der Horstkempers entfernt. Es war der letzte auf
Heikes Liste, danach wäre sie durch mit den Befragungen. Tagelang war sie jetzt
in der Bauernschaft unterwegs gewesen, doch sie waren nicht einen Schritt
weitergekommen. Keiner konnte sich vorstellen, weshalb Heinrich Uhlmann
erschossen worden war. Sah man von den Familienstreitigkeiten ab, gab es nicht
den geringsten Anhaltspunkt für ein Motiv.
Nach dem Gespräch mit Melchior Vesting hatte sie sich bemüht, mehr
über dessen Austritt aus dem Jagdverein zu erfahren. Doch auch das schien in
eine Sackgasse zu führen. Vesting war ein Sonderling, so die einhellige
Meinung. Ein mürrischer und eigensinniger Kerl, mit dem es sich einfach nicht
auskommen ließ. Das war offenbar auch der Grund gewesen, weshalb er mit
Heinrich Uhlmann aneinandergeraten war. Es habe zwar tatsächlich Unstimmigkeiten
im Verein gegeben, sagte man ihr, doch die seien hauptsächlich Vesting
zuzuschreiben gewesen. Er sei ein Unruhestifter, der sich jeglichen
Kompromissen verschlossen habe. Die meisten Jäger waren erleichtert über seinen
Entschluss gewesen, den Jagdverein zu verlassen.
Heike parkte den Dienstwagen am Straßenrand und stieg aus. Ein Lkw
donnerte vorbei und hupte sie wild von der Straße. Im letzten Moment konnte sie
sich auf die Rasenkante retten. »Idiot!«, brüllte sie ihm hinterher, doch da
war er schon hinter der nächsten Kurve verschwunden.
Der Hof von Werner Zumbülte war ein kleiner Kotten, der ein bisschen
heruntergekommen war, jedoch mit einfachen Mitteln liebevoll instand gehalten
wurde. Zumbülte und seine Frau wohnten schon seit Jahren nicht mehr dort, sie
hatten die Landwirtschaft aufgegeben und lebten in Altenberge. Wie Heike
erfahren hatte, wechselten die Mieter seitdem häufig. Seit einem Jahr teilten
sich ein paar Künstler aus Münster die Miete für den Kotten. Sie lebten dort in
einer WG und nutzten die kleine Scheune für ihre
Arbeiten.
Das Haus bildete
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