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Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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entschieden.«
    »Was haben Sie stattdessen gemacht?«
    »Die anderen sind schwimmen gefahren. Es war ja so ein heißer Tag.
Ich bin hiergeblieben und habe den Zaun repariert.«
    »Ist Ihnen im Laufe des frühen Nachmittags etwas aufgefallen?«
    Er dachte nach. »Nein, ich glaube nicht.«
    »Haben Sie jemanden gesehen? War einer der Bauern hier während des
Fests unterwegs?«
    Er kratzte sich am Kopf. »Die jüngste Tochter von unseren Nachbarn
ist mit dem Fahrrad hier vorbeigekommen. Sie hatte es ziemlich eilig.«
    »Annika?«
    »Ja, genau. Ich glaube, sie arbeitet bei der Zeitung. Ich habe ihren
Namen ein paar Mal unter einem Artikel gesehen.«
    Heike nickte. »Was war davor?«, fragte sie. »Haben Sie in den
Stunden zuvor noch jemanden gesehen?«
    »Nein.« Er sah auf. »Moment. Das heißt doch. Der Wagen der Molkerei
ist hier vorbeigefahren. Er ist die kleine Straße hochgefahren, die nach
Altenberge führt. Und kurz darauf war da noch ein Fahrrad gewesen. Aber auf die
Entfernung habe ich nicht erkennen können, wer da unterwegs war.«
    »Ebenfalls auf der Straße nach Altenberge?«
    »Ganz genau.«
    Die Straße führte am Hof von Ewald Tönnes vorbei. Heike nickte
langsam. Es war das erste Mal seit Tagen, dass sie etwas Interessantes erfuhr.
    »Wie spät war das ungefähr?«
    »Kurz nach zwei Uhr mittags, schätze ich mal. Da habe ich gerade
angefangen zu arbeiten.«
    Laut den Ergebnissen der Rechtmedizin entsprach das etwa dem
Todeszeitpunkt von Ewald Tönnes.
    »Denken Sie noch mal an den Radfahrer. Können Sie den vielleicht
näher beschreiben?«
    »Nein … ich habe nur gesehen, dass dort ein Fahrrad war.« Er hob die
Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht war es ja dieser Typ von dem verfallenen
Hof da oben.«
    »Melchior Vesting?«
    »Heißt der so? Kann schon sein.«
    »Wieso denken Sie, dass er es war?«
    »Nur so ein Gefühl. Er ist ja häufig dort oben mit dem Rad
unterwegs, meist nach Einbruch der Dämmerung. Aber wie gesagt, auf die
Entfernung ist das schwer zu sagen.«
    »Er ist dort häufiger unterwegs?«
    »Man sieht ihn zumindest immer mal wieder. Ich glaub, er kann ganz
gut mit diesem Typen, bei dem die großen Landmaschinenhallen stehen. Fragen Sie
mich aber nicht, wie der heißt.«
    »Clemens Röttger.«
    »Kann schon sein. Na ja, die beiden sieht man ab und zu zusammen an
der Straße stehen und miteinander reden, und dann fährt dieser Vesting wieder
mit dem Rad nach Hause.«
    Clemens Röttger und Melchior Vesting sollten befreundet sein? Schwer
zu glauben.
    »Wie oft haben Sie die beiden zusammen gesehen?«
    »Ich weiß nicht. Ab und zu halt.«
    Heike saß noch eine Weile mit Peter Frohberg beisammen, doch wie es
aussah, gab es weiter nichts zu erfahren. Schließlich stand sie auf, verabschiedete
sich und machte sich auf den Weg.
    Sie bog auf die Straße nach Münster, fuhr jedoch nur ein paar
hundert Meter weit, bevor sie an einem Waldstück erneut den Blinker setzte.
Vorsichtig steuerte sie das Auto auf den Wirtschaftsweg der Forstarbeiter und
stellte den Motor ab. Die Sonne warf helle Flecken auf den Waldboden, das bunte
Laub leuchtete in der klaren Luft. Es war niemand zu sehen.
    Sie beugte sich vor und kramte im Handschuhfach nach der
Zigarettenschachtel, die sie dort versteckt hielt. Alle glaubten, dass sie
längst mit dem Rauchen aufgehört hatte, und so sollte es auch bleiben. Die paar
heimlichen Zigaretten, die sie sich ab und zu genehmigte, taten schließlich
keinem weh. Sie stieg aus dem Wagen und stellte sich unter einen
Holunderstrauch am Waldrand. Dann zündete sie die Zigarette an und inhalierte
tief, ließ sich die warme Herbstsonne ins Gesicht scheinen und genoss die
Stille.
    Ein paar hundert Meter weiter, jenseits eines abgeernteten Feldes,
sah sie einen großen Bauernhof. Sie erkannte die Sandsteinscheune und den
prachtvollen Glockenturm neben dem Haupthaus: Es war der Hof von Schulze Ahlerkamp.
Sie war erst vor ein paar Tagen dort gewesen, hatte ihre Fragen gestellt und
genauso viel erfahren wie überall sonst auch. Nämlich gar nichts.
    Neben den Hofgebäuden stand eine riesige Biogasanlage. Turmartige
Behälter, ein hässliches Generatorenhaus und mehrere Fahrsilos, in denen der
Mais gelagert wurde. Verschandelt die ganze Landschaft, dachte sie. Eigentlich
schade um den schönen Hof. Aber von irgendetwas mussten die Leute ja leben, was
sollte man da machen.
    Sie trat die Zigarette aus, und nach kurzem Zögern hob sie die Kippe
auf, um sie später irgendwo in den Müll zu

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