Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
fremden
oder kaum bekannten Menschen, erschien ihr geheimnisvoll. Wie es sich wohl
anfühlen mochte, in so einem Haus zu wohnen?
    Der Summer ertönte, und sie drückte die schwere Eingangstür auf.
Bernhard wartete im zweiten Stockwerk auf sie. Er begrüßte sie mit einem
schiefen Lächeln.
    »Ich hoffe, du hast dich von der vergangenen Nacht erholt«, sagte
er. »Hast du denn ein bisschen schlafen können?«
    »Nicht so richtig. Aber es geht schon wieder einigermaßen.«
    Er nahm ihre Jacke und hängte sie an die Garderobe. Dann führte er
sie in die Küche. Er trug ein weißes Hemd mit offenem Kragen, Jackett und
Krawatte hingen locker über einer Stuhllehne. Der Duft von frischem Kaffee
wehte ihr entgegen. Auf dem Tisch entdeckte sie einen großen Korb voller Croissants.
    »Ich hoffe, du hast noch nicht gefrühstückt.« Er nahm Platz. »Ich
habe für dich gedeckt. Wie trinkst du deinen Kaffee?«
    »Mit Milch und einem Stück Zucker.« Sie setzte sich und blickte über
den Tisch. »Ich liebe Croissants.«
    »Tatsächlich? Wenn du mich fragst, gibt es nichts Besseres als das
selbst gebackene Brot deiner Mutter.«
    Sie lachte. »Es sei denn, man isst es an sieben Tagen in der Woche.«
    »Dann lass sie dir schmecken, sie sind ganz frisch.«
    Sie bedankte sich und griff zu. Bernhard sah ihr eine Weile beim
Essen zu. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck.
    »Was war da gestern los, Annika? Ihr wart doch nicht bei Vesting,
weil ihr über alte Höfe im Münsterland schreiben wollt.«
    Sie legte das Croissant beiseite. »Nein, wohl nicht.«
    Auf dem Weg hierher hatte sie sich vorgenommen, Bernhard gegenüber
ehrlich zu sein. Sie wollte ihm alles erzählen, was sie wusste.
    »Kannst du dich noch an den Banküberfall in Nordwalde erinnern?«,
fragte sie. »Es ist schon ein paar Monate her.«
    »Na klar.«
    »Die Polizei glaubt, dass der Bankräuber über gute Ortskenntnisse
verfügt. Nach dem Überfall war er wie vom Erdboden verschluckt, keinem ist ein
fremdes Auto aufgefallen.«
    »Und ihr glaubt jetzt, dass Melchior Vesting dieser Bankräuber ist?«
    »Er hat Unmengen von Geld ausgegeben, um Operationen für seinen Sohn
zu bezahlen. Aalderk hat eine seltene Krankheit. Die Krankenkasse übernimmt nur
einen Teil der Kosten.«
    »Und woher weißt du das alles?«
    »Von einem Pfleger im Krankenhaus. Er hat gesagt, dass Melchior
Vesting bereits ein Vermögen dafür ausgegeben hat.«
    »In welchem Krankenhaus?«
    »Im Clemenshospital. Hier in Münster.«
    Er stützte die Ellbogen auf den Tisch.
    »Und deshalb habt ihr euch auf seinen Hof geschlichen?«
    »Wir wollten Fotos machen. Ein bisschen Atmosphäre schnuppern, wie
Bernd sagt. Falls er tatsächlich der Bankräuber ist, wollten wir die Ersten
sein, die Hintergrundinformationen haben.«
    »Bist du dir im Klaren darüber, was für ein Risiko du eingegangen
bist?«
    »Ich habe doch über den Banküberfall geschrieben«, verteidigte sie
sich. »Ich bin drin im Thema. Es geht darum, dass ich die Chance auf eine
Volontariatsstelle habe. Ich dachte … Ach, ich weiß auch nicht.«
    »Wenn an der Sache etwas dran ist, war das ziemlich unvernünftig.
Warum bist du denn nicht zu mir gekommen?«
    »Das hatte ich ja vor. Wir wollten vorher nur ein paar Fotos
schießen.«
    Er stieß einen schweren Seufzer aus.
    »Stell dir vor, Vesting hätte Messer in seinen Erdlöchern
aufgestellt. Du kannst von Glück sagen, dass dir nichts Schlimmeres passiert
ist.«
    »Ich wollte zu dir kommen, Bernhard. Wirklich.«
    Die Küchentür öffnete sich. Erlend stand auf der Schwelle. Sie trug
einen Morgenmantel, und ihre Haare hingen zerzaust im Gesicht. Verwirrt blickte
sie Annika an.
    »Ähm … guten Morgen«, sagte sie.
    Annika sprang vom Stuhl auf. Die Frau hatte ein freundliches
Gesicht, sie begann sogar zu lächeln, trotzdem fühlte sich Annika wie ein
Eindringling.
    »Das ist Annika Horstkemper«, sagte Bernhard. »Annika, das ist meine
Frau Erlend.«
    Erlend machte einen Schritt auf sie zu und gab ihr die Hand.
    »Bleib doch sitzen«, sagte sie, wandte sich an Bernhard und fragte:
»Gibt es noch Kaffee?«
    Sie versuchte ohne großen Erfolg, sich die Haare glatt zu streichen.
Dann setzte sie sich zu den beiden an den Tisch.
    »Du lieber Himmel«, sagte sie mit Blick auf die Küchenuhr. »Es ist
ja noch mitten in der Nacht.«
    Erlend hatte einen schwachen niederländischen Akzent, der alles, was
sie sagte, leicht und heiter erscheinen ließ. Aber vielleicht lag das auch an
ihrer

Weitere Kostenlose Bücher