Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
stellt
Menschenfallen auf und hat nichts zu befürchten, während Annika eine Anzeige
wegen Hausfriedensbruch bekommt. Das geht mir nicht in den Kopf.«
    Hambrock hatte noch nicht zu Abend gegessen und spürte sofort die
Wirkung des Alkohols.
    »Vesting hat doch auf eine Anzeige verzichtet«, sagte er. »Annika
muss sich keine Sorgen machen.«
    »Trotzdem«, murrte sie. »Wenn du mich fragst, hätte Melchior nicht
einfach so davonkommen dürfen.« Sie nahm einen Lappen und wischte ärgerlich
über den Tisch.
    Hambrock lehnte sich zurück. »Vergiss die Sache, Tante Ada. Erzähl
mir lieber, was du da eben im Auto angedeutet hast. Du denkst also, dass auch
die Morde auf Vestings Konto gehen?«
    »Das denke ich nicht, Bernhard. Ich weiß es.« Sie legte den Lappen
weg und setzte sich wieder. »Ich könnte mich ohrfeigen, weil mir das nicht eher
klar geworden ist.«
    »Also gut. Ich höre.«
    »Erinnerst du dich noch an die Verkopplung in den Achtzigerjahren?«,
fragte sie.
    In einer weitreichenden Flurreform waren Landparzellen neu
aufgeteilt worden. Die Bauern sollten zusammenhängende Ackergebiete bekommen,
um lange Wege zu versprengt liegenden Flächen zu verkürzen und die
Landwirtschaft effizienter zu gestalten. In einigen Bauernschaften hatte es
damals großen Wirbel gegeben, doch Hambrock konnte sich nur vage daran erinnern.
    »Bei uns in Vennhues ist alles problemlos über die Bühne gegangen«,
sagte er. »Es hat aber auch keine besonders großen Einschnitte gegeben.«
    »Hier war das anders«, sagte Tante Ada. »Hier sollte alles von Grund
auf erneuert werden. Die Leute haben sich bis aufs Blut bekämpft. Du kannst dir
ja vorstellen, wie sich die alten Bauern gegen jede Veränderung gestemmt
haben.«
    »Und den Vestings kam bei diesen Reformen eine besondere Rolle zu?«
    Sie nickte. »Das kann man wohl sagen. Vier Bauern haben damals Land
von den Vestings bekommen. Natürlich haben die im Gegenzug auch Flächen
erhalten. Aber Ambrosius Vesting, Melchiors Vater, der damals noch lebte, hat
die ganze Sache abgelehnt. Einfach aus Prinzip. Er war ein noch sturerer Hund,
als sein Sohn es ist. Versteh mich nicht falsch: Viele Bauern hatten damals was
zu stänkern, oft sogar zu Recht. Da wurden Flächen zugewiesen, die viel
feuchter waren als die Äcker, die man abgeben sollte. Es hat lange
Nachverhandlungen gegeben, bis alle einigermaßen zufriedengestellt waren.
Ambrosius aber wollte davon nichts wissen. Dass irgendjemand daherkam und über
seinen Grund und Boden verfügen wollte, hat ihn rasend gemacht. Da brauchte
auch keiner vom Landschaftsverband kommen und ihm die Rechtslage erklären. Er
hat allen die Tür vor der Nase zugeschlagen.«
    »Vier Bauern, sagst du?«
    »Ganz richtig. Es ist wohl nicht schwer zu erraten, wer das war:
Ewald Tönnes, Heinrich Uhlmann, Ludwig Schulze Ahlerkamp und Theodor
Horstkemper. Sie alle hatten Parzellen von den Vestings zugewiesen bekommen.«
    »Aber Ambrosius hat das Land nicht abgegeben?«
    Sie hob die Schultern. »Im Grunde blieb ihm ja nichts anderes übrig.
Die Verkopplung war rechtskräftig. Wer unzufrieden war, konnte zwar
nachverhandeln, doch am Prinzip wurde nicht gerüttelt.«
    »Wie ging es dann weiter?«
    »Es hat mächtigen Krach gegeben. Alle anderen haben sich mit dem
veränderten Besitz angefreundet. Nur die Vestings nicht. Und irgendwann ist die
Sache dann eskaliert.«
    »Was ist passiert?«
    Sie seufzte. »Ludwig Schulze Ahlerkamp hat seinen Betriebshelfer
losgeschickt, um das Land zu pflügen, das er von Vesting bekommen hatte. Als
Ambrosius gesehen hat, dass der Acker von jemand anderem befahren wurde, ist er
wutentbrannt auf den Traktor gesprungen und hat den Betriebshelfer zur Rede
gestellt. Das war ein Junge aus Nordwalde, gerade einmal zwanzig Jahre alt.
Aber der machte ja nur, was Ludwig ihm aufgetragen hatte. Ambrosius hätte mit
Ludwig reden müssen und nicht mit seinem Betriebshelfer. Die beiden haben eine
Weile herumgestritten, und irgendwann ist Ambrosius auf seinen Trecker
gesprungen und hat den Jungen einfach über den Haufen gefahren.«
    »Er hat ihn überfahren?«
    »Bei Gott, ja. ›Auf meinem Land hat keiner was zu suchen!‹, hat er
dabei gebrüllt. Zum Glück war der Boden völlig aufgeweicht, und der Junge hat
sich nur Knochenbrüche und Quetschungen zugezogen. Trotzdem lag er eine ganze
Weile im Krankenhaus.«
    Hambrock nahm einen Schluck von seinem Bier. »Wie ging es dann
weiter?«
    »Ambrosius wurde der Prozess gemacht. Schwere

Weitere Kostenlose Bücher