Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
sich jetzt in dem Zimmer umschaute, das jeder Wärme entbehrte. Neutrale Kaufhauseinrichtung, eine Schrankwand, ein lustloses Bild über dem Sofa, das Claudia entsetzen würde, und nirgendwo eine einzige Pflanze. Nur die Fotos der Enkelkinder auf einer faden Anrichte zeigten, dass hier Leben war.
Görgen kam zurück, zupfte an der ungebügelten Hose und nahm schweigend Platz, während sie geschäftiges Hantieren aus der Küche hörten.
»Meine Mutter wird sofort kommen.«
»Das hat keine Eile. Ich wollte auch einige Dinge mit Ihnen klären.«
»Mit mir?«
»Der Mord an Ihrem Vater war unseren Erkenntnissen nach eine extrem emotionalisierte Tat, da ist das Umfeld per se verdächtig.«
»Eine gottlose Tat, zu der ich nie und nimmer fähig wäre.«
»Trotzdem, Sie als Familienmitglied zählen logischerweise dazu. Meine Fragen sind noch reine Routine, andererseits haben massive Konflikte zwischen Ihnen und Ihrem Vater bestanden.«
Görgen lief rot an und stieß gepresst hervor: »Hat mein Arschlochbruder dumm rumgeredet? Der will mich genauso aus dem Weg räumen, wie er den Alten kaltgestellt hat. Schauen Sie dem besser mal auf die Finger. Da können Sie was finden, beim prämierten Ökobauern. Wo kommt denn das Geld her für die ganzen Fürze, die er sich leistet, frage ich Sie? Der nimmt uns hier alle aus. Steckt sich hintenrum die Kohle in die Taschen. Anne ist der gleichen Meinung. Der ist kriminell, der ist ...«
Lichthaus stoppte die Hasstirade: »Ihr Bruder wird auch befragt. Jetzt sind wir aber bei Ihrer Person. Zunächst die Standardfrage: Wo waren Sie vorgestern Abend?«
»Zu Hause.«
»Gibt es dafür Zeugen?«
Erneut fuhr Görgen hoch. »Sie wissen doch schon von Sabine, dass ich von ihr getrennt und allein lebe. Also wozu dieser Schwachsinn? Ich möchte meine Familie zurück, und mache nicht mit anderen Frauen rum. Somit habe ich natürlich keine Zeugen!«
»In der Schule sind Sie beurlaubt. Warum?«
Görgen verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. »Ich bin nicht gesund, und wenn Sie über meine Erkrankung ganz genau im Bilde sein wollen, müssen Sie mir eine richterliche Verfügung vorlegen. Nach den Osterferien fange ich wieder an zu arbeiten, so Gott will.«
»Worum geht es bei den Streitigkeiten mit Ihrem Vater? Sie haben ihn ja sogar angezeigt.«
Elzbieta kam herein und stellte ein Tablett mit drei Tassen und einer Kanne Kaffee auf den Tisch. Ihre Miene war verschlossen, der Blick aber, den sie Lichthaus zuwarf, troff vor Ablehnung. Sie schenkte ein und verschwand. Görgen sank in den Sessel zurück und machte eine abweisende, wütende Handbewegung.
»Das ist eine uralte Geschichte. Wir sind schon ewig verkracht und haben praktisch seit meinem Wehrdienst nicht mehr miteinander gesprochen. Vor einem Jahr ist der Alte nach der ganzen Zeit plötzlich bei uns aufgetaucht und hat was von Versöhnung geschwafelt. Ich war nicht da, und Sabine hat ihn reingelassen und sogar Kaffee gekocht. Ich kann es immer noch nicht fassen. Sie hatte doch von unserem Streit gewusst. Als ich zurückgekommen bin, ist er mit ihr im Wohnzimmer gewesen und hat sie angegrapscht. Arm um sie rum und so, der geile Bock. Reicht es nicht, dass er Mutter betrügt und hier durch die Gegend bumst? Ich habe ihn wortlos gepackt und vor die Tür gesetzt. Das war das Letzte, was ich von ihm gehört und gesehen habe. Versöhnung, nach allem, was er uns angetan hat? Mit mir nicht!«
»Was ist damals vorgefallen?«
Görgens Augen blitzten von kaum beherrschbarer Wut. Er höhnte: »Was glauben Sie, warum sie säuft? Er hat sie vernachlässigt und betrogen. Große Politik und Bio-Hero. Immer nur er und seine hehren Ziele. Doch sie hat zu Hause gesessen und ist verkümmert. Sie stammt aus einer intellektuellen Familie, die Kultur gefördert hat. Mein Großvater war ein angesehener Rechtsanwalt in Frankfurt. Theater, Museen und so weiter waren an der Tagesordnung, und dann kommt der Alte, macht ihr ein Kind und stellt sie hier am Arsch der Welt ab. Sie ist ewig mit uns allein gewesen. Er hat es in den ganzen Jahren, an die ich mich erinnern kann, nicht einmal geschafft, mit ihr ins Kino oder ins Stadttheater nach Trier zu fahren. Sie hat ihn gebeten, später angefleht, mit ihr auszugehen, aber er hat immer nur geantwortet, für so etwas bleibe ihm keine Zeit. Irgendwann hat sie mit dem Alkohol angefangen. Flaschengeklimper im Schrank, Pfefferminzbonbons und all der Scheiß.«
»Worüber genau haben Sie sich mit Ihrem Vater
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