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Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Titel: Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Walz
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gestritten?«
    »Eines Abends habe ich es nicht mehr ausgehalten. Das ist jetzt über zehn Jahre her. Beim Empfang zu seinem Fünfzigsten. Bis dahin hatte sie sich eigentlich noch im Griff. Wenigstens in der Öffentlichkeit. Die Gesamtheit der Honoratioren war da, und meine Mutter schon um neun blau wie ein Veilchen, das habe ich ihr angesehen. Doch sie hat sich zusammengerissen. Während seiner Rede ist sie dann zum Schnaps übergegangen und hat mit einem Mal schallend in die Runde gelacht, und dann unverständliches Zeug gelallt. Alle haben betreten weggesehen. Der Alte ist vor Wut rot angelaufen, und ich habe mich beeilt, Mutter wegzuschaffen. Roland hat nur zur Seite geschaut, als wir vorbei sind, diese feige Sau. Ihr Schlafzimmer ist oben«, mit einer Kopfbewegung deutete Görgen zur Decke, »und als wir auf dem ersten Treppenabsatz waren, habe ich mich kurz umgedreht und gesehen, wie Vater angewidert zu uns hinaufgeschaut hat. Ich bin wieder runter und habe ihm Vorwürfe gemacht, da ist er ausgerastet. Ich solle die Schnapsdrossel wegpacken, wir würden nicht erkennen, welche Leistungen er vollbringe, ich sei genauso wie sie, undankbar, ein Weichei, Mamas verwöhntes Bubilein und so weiter. Ich habe ihn gewarnt, aber er hat angefangen zu lachen.«
    Görgen brach ab und rieb sich über Augen, die Lichthaus resigniert aus einem verhärmten Gesicht anstarrten. Dann senkte er den Blick auf seine Hände und schaute durch sie hindurch in sein schwarzes Loch.
    »Ich hab ihm so fest es ging in die Schnauze gehauen, doch glauben Sie nicht, dass er umgekippt wäre. Er ist auf mich los. Ich höre noch heute die Musik aus dem Zelt, das er im Hof hatte aufbauen lassen, sehe die tanzenden Schatten der Menschen, die sich vergnügt und betrunken haben, wie es hier auf dem Dorf so üblich ist, als er zischend auf mich zugekommen ist und mir eine in den Bauch verpasst hat. Ich bin auf die Knie gesunken und er hat mir in die Seite getreten. Er würde es mir geben wie in Frankfurt den Faschisten, hat er geschrien und wieder zugetreten. Irgendwie habe ich sein Bein zu fassen bekommen und ihn aus dem Gleichgewicht bringen können. Er ist gegen die Haustür geknallt, die daraufhin zugefallen ist. Den Moment habe ich genutzt und mich aufgerappelt, wollte nur weg, die Treppe rauf, um ihm zu entkommen, doch er ist direkt hinter mir gewesen. Ich habe ihn mit dem Absatz getroffen, hab ausgekeilt wie ein Esel. Für die Feier hatte ich neue Schuhe gekauft. Hart wie ein Brett. Es hat richtig geknirscht, als ihm die Schneidezähne in den Rachen sind. Nur ein Grunzen«, Görgen machte ein entsprechendes Geräusch, »und er ist rückwärts mindestens zehn Stufen runtergesegelt. Ich bin ausgetickt, bin außer mir vor Wut hinterher und hab in ihn hineingetreten. Wie oft weiß ich nicht. Ich kann nicht sagen, wie lange ich gebraucht habe, bis der Frust von Jahren raus war. Dann ist er still gewesen. Noch in derselben Nacht bin ich weg. Habe mir mein Studium selbst bezahlt. Mutter konnte mir nichts geben, er hat jeden Pfennig kontrolliert. Und plötzlich taucht er nach einer Ewigkeit auf und befingert meine Frau.«
    Görgen verstummte und sah mit leerem Blick aus den blitzblanken Fenstern in einen wenig gepflegten Garten. Eine unbenutzt wirkende Rutsche aus Plastik in leuchtendem Rot, Blau und Gelb stand mitten auf der Wiese, die von verwilderten Obstbäumen umgeben war. Das Laub vom letzten Herbst bedeckte unansehnlich die Rabatten. Dahinter sah man die winterkahlen Felder mit gepflügter Krume. Trostlos.
    »Sie haben Ihre Frau verlassen.«
    Alexander fuhr aus seinen Gedanken auf: »Sie hat mich rausgeworfen. Ich hätte mich verändert, würde nur noch dasitzen und Trübsal blasen. Es hat einen riesigen Streit gegeben, dann bin ich gegangen, der Kleinen wegen. Ich wollte keinen Rosenkrieg, bei dem Lea die Zeche zahlt!« Er brüllte jetzt: »Und alles nur weil der Alte und sein ...«
    »Sei bitte ruhig, Alex.« Renate Görgen kam langsam, fast schon vorsichtig herein. Sie trug einen verschlissenen Morgenmantel und zitterte heftig. Voll auf Entzug, und sie sah einigen harten Tagen der Entgiftung entgegen. Sie nickte ihm nur zu, ihr Sohn half ihr, auf einem Sessel Lichthaus gegenüber Platz zu nehmen. Von der gut aussehenden Frau, die er auf dem Foto drüben im Büro gesehen hatte, war nur noch eine Ruine übrig geblieben. Ungepflegte, fettige Haare umrandeten ein graues aufgedunsenes Gesicht mit sich verformender Nase und großporiger Haut.

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