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Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Titel: Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Walz
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durchzogenen Beine, das graumelierte Brust- und Schamhaar, die Narbe einer früheren Operation und die im Tod eingefallenen Wangen waren scharf ausgeleuchtet. Insbesondere die Zeichen der Misshandlungen stachen jedoch hervor. Der Brustkorb war ein einziges Hämatom, der Kopf verletzt, das Skrotum unnatürlich angeschwollen. Am entstellendsten war das Fehlen der Augäpfel. Was Lichthaus auffiel, war die vergleichsweise geringe Zahl von Totenflecken und eine ausgeprägte Blässe des Leichnams.
    Elke Bucher, die Güttler vertrat, trug das schwarze Haar kurz geschnitten, und Lichthaus erkannte den Hauch einer Restbräune, die wohl von einem sonnigen Winterurlaub stammte. Sie hatte sich, nachdem sie die Eile zu Görgens Obduktion mit einer zynischen Bemerkung kommentiert hatte, eine OP-Haube aufgesetzt und den Mundschutz umgelegt. So ausgestattet trat sie nun an den Tisch, während ein zweiter Arzt ihr assistierte. Die Rechtsmedizinerin verströmte die Aura der unaufgeregten Professionalität. Sie widersprach allen Klischees, die Krimis und Fernsehen über ihren Berufsstand verbreiteten. Lichthaus hatte sich auf einem Lehrgang lange mit der feingliedrigen Mittfünfzigerin unterhalten, wobei damals der Beruf nur Randthema war. Sie war verheiratet und Mutter von drei Jungen. Elke Bucher und ihr Mann, ein Apotheker, liebten das Theater, Kochen und Reisen. Außerdem engagierten beide sich intensiv in sozialen Projekten. Erst im vergangenen Jahr konnten sie große Mengen Medikamente nach Afrika vermitteln. Sie lachte gerne und versprühte eine quirlige Energie. An ihr war weder etwas Griesgrämiges noch Pietätloses. Niemals wäre es dieser kultivierten Frau in den Sinn gekommen, im Obduktionssaal zu essen oder zu scherzen. Hier ähnelte sie ihrem Kollegen Güttler.
    Kurz schaute sie ihn über ihren Mundschutz hinweg freundlich an und begann dann konzentriert die Untersuchung, indem sie detailliert eine Bestandsaufnahme machte. Sie stellte die äußerliche Vollständigkeit der Gliedmaßen fest und wies auf die fehlenden Augen hin.
    »Die Livores …«, sie sah auf Brauckmann, der sie verständnislos aus einem blassen Gesicht anschaute. »Ihre erste Obduktion?« Der Staatsanwalt nickte leicht. »Gut, dann werde ich übersetzen. Die Livores, so nennt man die Totenflecken, sind sichtbar, aber auch sehr hell, was auf einen enormen Blutverlust hinweist.« Sie deutete auf die Tatortfotos, die auf dem Bestecktisch lagen. »Sie lassen sich nicht mehr wegdrücken. Grob geschätzt ist der Mann länger als achtzehn Stunden tot. Genaueres später.« Sie schabte über Görgens Oberarm. »Der Rigor mortis, also die Totenstarre ist voll ausgeprägt.« Sie bog den Unterarm nach oben und ließ ihn wieder los, woraufhin er in seine Ausgangsstellung zurückkehrte. Anschließend widmete sie sich schweigend den Verletzungen, die sie intensiv betrachtete.
    »Große Hämatome, die stark eingeblutet haben, vermutlich die Folge von Schlägen mit einem länglichen Gegenstand, die wuchtig ausgeführt wurden, bedecken fast die gesamte Brust und den Bauch. Sie lassen auf den ersten Blick kein systematisches Vorgehen erkennen. Insbesondere die letzten Hiebe waren von extremer Härte. Eine Klimax kann ich nicht eindeutig nachweisen, aber ich denke, der emotionale Stress hat während der Tat zugenommen. Sehen Sie hier.« Sie deutete auf einen Striemen, der oberhalb der Brustwarzen quer zur Schulter verlief. »Dieser wurde spät angebracht. Das sieht man daran, dass er die anderen überlagert und aufgrund des zeitnah erfolgenden Todes nicht so umfangreich eingeblutet hat wie die älteren Verwundungen. Zuerst wurde gezielt verletzt. Immer da, wo es besonders schmerzt. Dieser dort oben war sicher vergleichsweise wenig schmerzhaft, obwohl mit noch größerer Wucht geschlagen wurde als bei den anderen. Ein Kontrollverlust des Täters scheint mir sehr wahrscheinlich.« Elke Bucher begann die langwierige Vermessung der einzelnen Schlagmale. Anschließend nahm der Obduktionsassistent Genspuren, indem er Klebeband auf die Haut drückte und wieder abzog, während die beiden Ärzte mit beleuchteten Lupen den Körper Zentimeter für Zentimeter absuchten.
    Lichthaus zog den Kragen seines Anoraks hoch und wurde durch das eintönige Gemurmel der Rechtsmediziner und die leise summenden Neonröhren zunehmend schläfrig. Seine Uhr zeigte ihm, dass es bereits auf zehn Uhr zuging und er sehnte sich nach Hause. Um nicht weiter wegzusacken, probierte er, eine SMS an Claudia zu

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