Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
keine Metastasen hast, soll das ganz gut therapierbar sein.« Lichthaus hasste diese leeren Phrasen, die von den Betroffenen kaum verarbeitet werden konnten.
Der Alte hörte ihm erst gar nicht zu. »Zu lange gewartet. Seit Monaten schon pinkle ich nur unter Schmerzen. Steh so ewig lange am Pissoir, dass ich dort Staub ansetze. Hab’s idiotischerweise ignoriert. Jetzt kriege ich die Quittung.«
»Mensch, Otto, das wird nicht einfach«, Claudia legte ihre Hand auf seine furchige Pranke, »doch du darfst die Hoffnung nicht verlieren.«
Eine neue Phrase, schoss es Lichthaus durch den Kopf. »Was sagt deine Familie?«
»Der Junge war schockiert, redet aber den gleichen Kram wie ihr. Ich soll Geduld haben und so ein Zeugs«, murmelte er und starrte wieder vor sich hin.
Lichthaus stand auf und drückte ihm wortlos die Schulter, eine Geste, die Mut machen sollte und Mitgefühl ausdrückte. Otto sah dankbar zu ihm auf und nickte. Er blieb lange an diesem Abend und ließ sich gerne mit anderen Themen ablenken.
Den schmalen Weinberg, der Teil vom Besitz der Lichthaus’ war und den der alte Winzer für sie bewirtschaftete, würde von nun an dessen Sohn bestellen. Es tat weh zu sehen, wie Otto langsam begriff, dass viele Dinge nun zu Ende gingen, dass seine Krankheit ihn zukünftig, egal was herauskäme, einschränken würde.
Als er gegangen war, hing eine Wolke trauriger Stimmung über ihnen, und sie bemerkten überdeutlich, wie sehr sie den Alten mit der Zeit ins Herz geschlossen hatten. Was blieb, war die Hoffnung auf einen trotz allem glücklichen Ausgang der Erkrankung.
Lichthaus erzählte nur spärlich von seinem Tag, da er den Fall, wenn auch nur für kurz, abstreifen wollte. In seiner Aktentasche wartete der Bericht der Technik, den er bis zum nächsten Morgen zumindest noch überfliegen musste, und ihm graute bereits davor.
Claudias Tag war schon ohne Ottos Hiobsbotschaft mies gewesen. Henriette hatte ununterbrochen gequengelt und geweint. Die Vorboten eines Infekts oder einer der Kinderkrankheiten, gegen die sie noch nicht geimpft war, mutmaßte Claudia, der die Augen zufielen. Das aufziehende Frühjahr machte sie extrem müde, das kannte er seit Jahren, doch konnte sie sich tagsüber nur dann ausruhen, wenn die Kleine schlief. Seine Frau gähnte wieder herzhaft und kurz darauf verschwand sie sich entschuldigend im Schlafzimmer.
Die eintretende Ruhe tat gut, und er griff zum Trierischen Volksfreund, der den Mord an Görgen als großen Aufmacher brachte. Ein Foto vom Alleenhof mit Absperrbändern und den Technikern in ihren Overalls dominierte die Titelseite. Der Text hingegen war wenig informativ und hielt sich weitgehend an die Presseerklärung. Dazu viel über Görgens Leben, aber nichts, das auf eine Quelle schließen ließ, die der Polizei unbekannt war. Den nicht schlecht recherchierten und aufbereiteten Artikel hatte eine Julia Bergner verfasst. Sie war neu in der Lokalredaktion, und er war ihr noch nie begegnet. Unordentlich schob er die Seiten zusammen und legte die Zeitung beiseite, um dem Bericht der Spurensicherung Platz zu machen, als das Telefon klingelte und Steinrausch sich meldete: »Null Ergebnisse. Bösen ist glaube ich sauber.«
»Inwiefern?«
»Wir haben das ganze Haus und die Wirtschaftsgebäude durchsucht. Keine Stiefel mit passendem Profil, einfach nichts, was einen Zusammenhang erklären würde. Seine Frau ist übrigens jetzt da gewesen. Sie arbeitet halbtags in Wittlich, damit die Familie über die Runden kommt. Der Hof ist eigentlich ziemlich runter, doch das, was die noch an Maschinen besitzen, ist tipptopp gepflegt.«
»Was sagt die Frau?«
»Die gleicht ihm. Resigniert, was den Hof angeht, aber irgendwie ehrlich.«
»Du glaubst nicht an Bösen als Täter?«
»Nein, und du auch nicht«, es war eine Feststellung, keine Frage. »Die Bösen ist ziemlich klein und rund wie eine Kugel, ihren Mann hat sie jedoch verteidigt wie eine Löwin. Ich habe sie auf diese Verdächtigungen gegenüber den Görgens angesprochen, und die Erklärung war nicht unbedingt unlogisch. Der Alleenhof ist mit seiner Fläche zwar einer der größten Biobetriebe in der Region, die haben viele Hektar zugepachtet und -gekauft, nur kann sie sich nicht vorstellen, wo das Geld für den Lebensstil herkommt. Die Erträge in der Landwirtschaft sind massiv eingebrochen. Der Milchpreis verwässert, und schlechte Ernten setzen den Bauern ordentlich zu. Da fragt sie sich eben, wie Görgen so gegen den Wind segeln
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