Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
kann.«
»Ich traue diesem Roland auch nicht über den Weg. Lass uns mal sehen, wie wir ihm auf die Pelle rücken. Nur, den Mörder finden wir bei ihm nicht. Er hat alles gehabt und hätte nur noch warten müssen, bis der Alte tot war. Das wäre nur noch eine Frage der Zeit gewesen.« Er dachte einen Augenblick nach. »Also gut, lasst Bösen laufen, wir haben nichts in der Hand.« Steinrausch schien zufrieden und verabschiedete sich.
Der Bericht der Spurensicherung war ungewöhnlich dick, und Lichthaus stöhnte schon bei dem Gedanken, sich hier durchquälen zu müssen, doch er kam zügig voran, ohne anfangs allerdings auf wirklich neue Fakten zu stoßen. Die Kollegen hatten mit ihren Tupfern und Klebefolien Hunderte von Spurenträgern angesammelt, die in den folgenden Tagen zur Auswertung anstanden. Eine Herkulesaufgabe, da der Stall neben den Tieren auch regelmäßig von etlichen Besuchern frequentiert wurde, die alle Haare, Hautschuppen, Rotz und dergleichen zurückließen. Das Ergebnis der unmittelbar auf Görgens Leichnam gesicherten DNA-Spuren lag bereits vor und gab Rätsel auf. Zwar waren sich die Techniker sicher, dass sie kurz nach oder während der Folterung an den Körper gekommen waren. Aber die DNA eines Spucketropfens vom Hals unterschied sich von der eines Haars, das man auf der Brust gefunden hatte, und beide stammten nicht vom alten Görgen. Um Klarheit zu schaffen, mussten sich alle, die direkt mit dem unbekleideten Körper Kontakt gehabt hatten, einem DNA-Vergleich unterziehen. Bis dahin schien es immerhin möglich, dass entgegen ihrer bisherigen These doch zwei Täter zu Werke gegangen waren.
Er machte sich eine Notiz und blätterte dann weiter. Spleeth und seine Leute hatten kein Fremdblut finden können, allerdings war es ihnen gelungen, den Teilabdruck des Schuhs in Görgens Blut zuzuordnen. Schuhgröße 44, die Marke höchstwahrscheinlich ein Massenprodukt, das deutschlandweit für wenig Geld über die Theke wanderte.
Merkwürdigerweise hatten der oder die Täter den Stall nicht auf gleichem Weg verlassen, da nirgends eine frische Fußspur wieder durch den Schlupf der Rinder hinausführte.
Er lehnte sich zurück, trank seinen Wein aus und resümierte. Sie bewegten sich bei ihren Ermittlungen orientierungslos im Nebel und das machte ihm Sorgen. Konkrete Hinweise gab es an keiner Stelle. Ihr Verdacht gegen Alexander Görgen glich eher einer Verzweiflungstat, auch wenn Sirans Schlüsse absolut logisch klangen, nur fehlte jeder eindeutige Beweis. Noch dazu die verwirrende Spurenlage. Zunächst deutete alles auf einen Einzeltäter hin, jetzt legten die Ergebnisse sogar mehrere Beteiligte nahe. Görgen jedoch hätte sicherlich allein gehandelt.
Er wischte sich über die Augen und gönnte sich ein weiteres Glas. Der feinherbe Riesling aus Ottos Keller spülte den bitteren Geschmack seiner Gedanken spielend hinunter, aber der Augenblick des Genusses strich vorbei, und er fand zu seinen Überlegungen zurück, während er aufräumte.
Der Schlüssel konnte Elzbieta Kowalski sein. Sie musste Entscheidendes wissen, hatte sie doch schon in der Nacht des Mordes Görgens Tod hinausposaunt. Er würde aus ihr herausbringen, welche Rolle sie spielte. Sie konnte alles sein, Zeugin, Mittäterin oder gar alleinige Täterin. Die stämmige Frau war kräftig genug und kannte von ihrer Tätigkeit als Pflegerin gewiss die notwendige Technik, um einen so schweren Mann zu transportieren. Nur Lichthaus glaubte auch daran nicht so recht. Da war kein richtiges Motiv, sie war schließlich kein Familienmitglied, sondern nur mit Renate Görgen befreundet.
Er gähnte und ging hinauf ins Bad. Im Schlafzimmer schlief Claudia tief und fest und rührte sich auch nicht, als er ihr einen Kuss auf die Backe drückte.
Freitag
Es war das sirenengleiche Schreien von Henriette, das ihn aus dem Schlaf riss und seine Nacht um halb fünf beendete. Wie gewöhnlich war Lichthaus als Erster aus dem Bett und stolperte schlaftrunken Richtung Kinderzimmer. Seine Aufmerksamkeit schärfte sich in dem Moment, in dem er mit dem Fuß hart gegen den Türrahmen stieß. Impulsiv begann er zu fluchen, doch das klägliche Wimmern aus der Dunkelheit brachte ihn zum Schweigen. Er schob die Tür auf, wobei schon der Geruch, der nach draußen drang, ihn nichts Gutes ahnen ließ. Wie immer brannte das Nachtlicht und verbreitete sein sanftes Dämmerlicht, beleuchtete jetzt aber eine Szene, auf die er gut hätte verzichten können. Unübersehbar bedeckte
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