Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
verändert?«
»Nein, eigentlich nicht, nur sein Thema war ein neues. Ein einfacher Hof, das ging nicht, da musste was Besonderes her, also ist er auf der grünen Welle geschwommen.«
Lichthaus schaute verstohlen auf die Uhr und erschrak. Es wurde Zeit. Zudem schien der Fall geklärt zu sein. Er brauchte die Informationen nicht mehr. »Haben Sie sich später nahegestanden?«
»Nicht anders als vorher. Ab und an ein kurzer Plausch, das war alles.«
Lichthaus dankte und verabschiedete sich mit dem Hinweis auf Termine, dann verschwand er mit dem Gefühl, den Belastungen der kommenden Stunden gewachsen zu sein.
*
Steinrausch stieg nicht aus, saß nur stumm neben ihm und schaute auf den Bahnhofsvorplatz hinüber, wo das Leben wie gewohnt hin und her schwappte. Busse fuhren vor und spien Leute aus, die zu Fuß davongingen oder im Bahnhof verschwanden, andere kamen von dort und wurden von den Leibern der Busse wieder verschluckt. Normalität.
Lichthaus sah den Kollegen an, der sich mühsam räusperte. Er hatte ihn auf dem Hof angetroffen, während bis auf die Techniker schon alle nach Trier zurückgekehrt waren, um Berichte zu schreiben und eine Pressekonferenz vorzubereiten. Doch Steinrausch hatte einsam und beharrlich an der Treppe gewartet, bis der Sarg mit dem Leichnam von Tanja Jünflich gerade in dem Augenblick an ihm vorbeigetragen wurde, als er zu ihm getreten war.
»Komm Holger, wir müssen los.«
Steinrausch hatte die Zähne zusammengebissen, das Gesicht grau, Tränen in den Augen, und war ihm zögernd zum Wagen gefolgt.
Sie waren die Fahrt über stumm geblieben, und auch jetzt brachte Steinrausch nur mühsam mit rauer Stimme eine Frage heraus: »Wie hast du das damals verarbeitet?« Er starrte weiter auf die vorbeihastenden Passanten, die im kalten Wind die hoffnungsvoll hervorgeholten Frühlingsjacken enger um die Schultern zogen.
Lichthaus dachte an seinen Ausbruch und die Stunde auf dem Feld neben dem Hühnerwagen und wusste nicht so richtig, wie er antworten sollte. Sag die Wahrheit, ermahnte er sich.
»Gar nicht. Zumindest ist es nie mehr so geworden, wie es vorher war. Du lernst mit dem Bewusstsein zu leben, einen tödlichen Fehler begangen zu haben. Ich kann dir nur raten, zu unserem Psychologen zu gehen. Mir hat er heute jedenfalls geholfen.«
Endlich schaute Steinrausch zu ihm hinüber. Sein Teint hatte das Grau eines bedeckten Novembertages. »Ich bin also schuld?«
»Nein, das denke ich nicht. Außerdem glaube ich auch nicht, dass dich jemand beschuldigen wird. Außer du selbst. Busse ist da. Geh sofort zu ihm hin, ich habe dich bereits angekündigt.«
»Du ...?«
»Geh hin, er wird dir helfen. Warte nicht bis morgen.«
»Ich weiß nicht, ob ich mich über dich ärgern soll, oder ich mich dafür bedanken muss.« Er schaute unschlüssig.
Lichthaus zuckte die Schultern. »Das ist mir egal, nur geh einfach hin, heute.«
Steinrausch stieg aus, doch bevor er die Tür zuschlug, beugte er sich noch einmal ins Fahrzeug hinein. Seine Augen lagen tief und hatten dunkle Ränder. Er nickte fast unmerklich. »Danke.«
*
Das Mutterhaus war eine der beiden großen Kliniken Triers. Ein riesiger Bau, seit Kurzem mit Neubau und Hubschrauberlandeplatz versehen, stand es zwischen Krahnenufer und Feldstraße, nur fünf Minuten von der Innenstadt entfernt. Henriette war hier geboren, und daher verband Lichthaus angenehme Erinnerungen mit dem Krankenhaus. Er klingelte an der Schranke und wurde hineingelassen. Schon als er den BMW abstellte, sah er seine Tochter, in einen dicken Anorak verpackt, auf ihn zustürmen, und der Rest seiner Frustration verwehte wie Blätter im Sturm. Eilig stieg er aus und nahm sie auf den Arm.
»Rette mit.« Sie sprach nur wenig und bezeichnete sich selbst als Rette, doch das Wort »mit« kam deutlich und entschlossen, um ihm klar zu zeigen, wer von nun an an seiner Seite zu sein gedachte. Dann war Claudia da und umarmte ihn. Sie schaute ihm in die Augen und küsste leicht seine Lippen. So verharrten sie zu dritt eine kleine Weile.
»Besser?«
Er lächelte. »Ja. Danke, dass ihr gekommen seid.«
»Wirklich?«
»Ja doch. Kommt, wir gönnen uns schnell einen Kaffee.«
Sie gingen die Johannisstraße hinauf und bogen in die Fleischstraße ab. Die Straßen der Innenstadt wimmelten von Menschen, die nach getaner Arbeit nach Hause wollten. Routine und Alltäglichkeit überall – welch ein Kontrast zu seinem Tag. Er schüttelte den Kopf. Die Zeit heilt die Wunden heißt es,
Weitere Kostenlose Bücher