Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
unter Verschluss, das heißt, ich werde nie etwas darüber geschrieben sehen!« Er wartete, bis sie nickte. »Alexander Görgens DNA wurde an der Leiche gefunden, und zwar dort, wo sie nur der Täter hat hinterlassen können.«
»Sie kann auch dorthin gekommen sein, als der Vater schon tot war.« Julia Bergner schaltete schnell.
»Das ist richtig, aber warum erschießt er heute Mittag einen Menschen und haut ab, wenn er vollkommen unschuldig ist? Seine Schuhabdrücke waren im Blut am Tatort, außerdem ist er zur Tatzeit am Stall gesehen worden. Motive hatte er aus ewigen Streitereien mit seinem Vater mehr als genug, zumal er geglaubt hat, dieser wäre im vergangenen Jahr seiner Frau gegenüber zudringlich geworden und hat zu allem Überfluss nun auch noch die geliebte Mutter geschlagen.«
Die Journalistin rang mit ihrer Antwort, doch ihre Augen zeigten, dass Lichthaus sie hatte beeinflussen können: »Das klingt schon sehr überzeugend. Sie haben also kaum Zweifel«, stellte sie lakonisch fest. »Warum wollen Sie den Anrufer finden?«
»Ich will Gewissheit, keinen Glauben. Solange Görgen nicht gestanden hat, gilt der Fall für mich nicht als abschließend geklärt. Wir werden unsere Ermittlungen auch fortsetzen, um die Beweise zu erhärten. Natürlich können wir nicht ausschließen, dass es einen anderen Täter gibt, nur sehe ich aufgrund der momentanen Beweislage nirgendwo einen neuen Ansatzpunkt. Vermutlich wird er es gewesen sein.«
Julia Bergner nickte und ging. Lichthaus warf den Computer an und wartete, bis die lahme Kiste hochgefahren war, wobei er sich darüber ärgerte, sein Tablet im Auto vergessen zu haben. Dann tippte er eine E-Mail an Spleeth, damit dieser die Aufzeichnungen der Kameras vom Bahnhof schnellstmöglich besorgte. Der hagere Kollege würde ihm die Knochen verfluchen, und er wünschte sich den konzilianten Winkelmann zurück, der aber mittlerweile in Koblenz die Technik leitete.
Endlich schaltete er das Licht aus und schaute noch kurz zum Fernsehturm hinauf. Der lange Tag und die Wucht der Ereignisse steckten ihm wie Blei in den Gliedern. Psychisch hatte er sich gefangen, die Schießerei war das Ergebnis einer Kette von Zufällen gewesen, die niemand vorhersehen konnte, immerhin waren sie zu viert mit entsicherten Waffen in die Küche getreten. Doch nun nagte jenseits aller Rationalität der Zweifel an ihm. Alexander hatte nicht nur kein Geständnis abgelegt, sondern die Tat sogar explizit abgestritten, was er der Reporterin genauso verschwiegen hatte, wie die Tatsache, dass eine weitere bislang unbekannte DNA an der Leiche gesichert worden war. Er war ratlos. Ihnen blieb die Aufarbeitung der Unterlagen und verbleibender Hinweise bis hin zu den Überwachungsbildern. Ansonsten konnten sie nur warten, bis Görgen vernehmungsfähig wäre, wenn er überhaupt durchkäme. Gott sei Dank schien die Presse ein wenig ruhiggestellt zu sein.
Er griff zum Hörer und rief Steinrausch an, erreichte aber nur dessen Frau. Sie klang noch erschöpfter, als er sich fühlte. Ihr Mann war mittags zu Busse gegangen, der seinen Absturz hatte auffangen können. Zunächst hatte der Psychologe ihn krankschreiben wollen, doch das Herumsitzen lehnte Steinrausch ab. Auf der anderen Seite hatte er einer Fortführung der Sitzungen zugestimmt, was Lichthaus beruhigte. Nun lag er nach zwei Flaschen Bier, was für ihn anscheinend sehr viel war, und einer Beruhigungspille im Bett und schlief. Lichthaus lächelte und legte auf.
Samstag
Der Ofen in Claudias neuer Werkstatt heizte jede Ahnung von Winter so weg, wie die Sonne den Morgenreif auf den Wiesen. Am Vormittag hatte es immer wieder gegraupelt, ein Wetter, das für das gesamte Wochenende vorhergesagt war, doch in der kommenden Woche sollte eine Schönwetterperiode den Frühling bringen.
Claudia hatte einen alten Tisch in die Mitte des Raums gestellt und hierauf die große Tonfigur ihrer letzten Arbeit montiert. Seit dem Morgen erstellte sie mit Lichthaus’ Hilfe Silikonnegativformen ihrer Plastiken, um sie für den Bronzeguss vorzubereiten. Das Verfahren war denkbar simpel, erforderte aber einiges an Erfahrung und handwerkliches Geschick. In ihrem Studium hatte sie einen Kurs besucht und eine ganze Reihe einfacher Skulpturen in Taschenformat gefertigt, die sie anschließend auf Straßenmärkten verkauft hatte, doch lag das jetzt Jahre zurück. Damals hatte sie ihre kleinen Fehler übersehen, die für die Käufer ebenfalls kein Problem dargestellt hatten.
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