Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
Bericht auf meinem Schreibtisch. Der Fall hat allerhöchste Priorität, das muss ich ja wohl nicht erwähnen.« Alle nickten, dann löste sich die Versammlung auf.
Lichthaus ging auf den vorgezeichneten Laufwegen in die Arena und traf dort auf Siran, der ihn fragend anschaute.
»Was für eine Scheiße«, kam es ihm über die Lippen, als Lichthaus schwieg.
»Soweit war der Präsident eben auch schon. Wie sieht es aus?«
»Spleeth sagt, die Leiche kann gleich abtransportiert werden. Sie haben draußen einen kleinen Lieferwagen gefunden und vermuten, dass Kaiser darin hergebracht wurde. Sie werden wohl noch eine ganze Weile brauchen. Die von der Technik muss man nicht beneiden.«
Lichthaus sah Sirans große Augen, die vor Erschöpfung glänzten. »Warten wir mal ab, was da alles auf uns zukommt. Wir sollten nach Hause gehen. Hier sind wir überflüssig. Schlafen wir ein wenig, das wird kein Spaziergang.«
*
Der Sonntag quälte sich mit Wolken und leichtem Regen durch die Zeit, als Lichthaus den Besprechungsraum betrat und sein Team vollständig versammelt vorfand.
In den Nachrichten liefen bereits die Sondersendungen, die alle vor dem Amphitheater aufgezeichnet wurden, und er fragte sich kurz, wie die ganze Ausrüstung dort Platz fand.
Der Morgen begann mit einer Hiobsbotschaft. In Schweich hatte Kaisers Tochter Janina, die noch in der Nacht aus Aachen herbeigeeilt war, Siran und einen der Techniker mit verweinten Augen im Empfang genommen. Eva Kaiser war nicht ansprechbar gewesen, hatte unter starken Beruhigungsmitteln gestanden und geschlafen. Einzig, dass Kaiser auf einer Parteisitzung in Trier gewesen war, hatten sie aus ihr herausbringen können. Eine Katastrophe allerdings war, dass Unbekannte Kaisers Arbeitszimmer durchwühlt und den Computer mitgenommen hatten. Ordner lagen aus den Regalen gerissen verstreut im ganzen Raum. Laut Auskunft der Tochter war ihre Mutter spät von einer privaten Feier zurückgekehrt und hatte den Einbruch nicht bemerkt. Erst am Morgen hatte sie sich über die offene Tür gewundert und hineingeschaut.
Die KTU hatte sofort die Spuren gesichert, die sich für eine Fahndung jedoch als nicht ausreichend erwiesen.
Er war hundemüde. Sein Schlaf war unruhig gewesen, da aufwühlende Bilder durch seine Träume gegeistert waren wie Untote. Immer wieder stand er in der Küche Görgens, doch traf die Kugel nicht die Kollegin, sondern ihn, worauf sich das Blut aus der Kopfwunde schwallartig in seine Hände ergoss. Er sah zu, wie sich um ihm herum ein roter See ausbreitete, in dem Steinrausch, der tote Thomas Scherer mit wächsernem Gesicht, der malträtierte Kaiser und Tanja Jünflich mit zerschossenem Kopf herumtaumelten, hinschlugen und dann weg ins Nirgendwo trieben. Alle riefen ihm etwas zu, aber wie so oft in Träumen verstand er kein Wort. An dieser Stelle war er hochgefahren und hatte Sekunden gebraucht, um sich im dunklen Schlafzimmer zurechtzufinden, seinen rasenden Herzschlag und die rasselnde Atmung zu beruhigen. Hinterher hatte er ewig wachgelegen und sich, wie in solchen Momenten immer, auf die Suche nach seinem Fehler gemacht. Rein justiziabel betrachtet war er sauber, doch darum ging es ihm nicht. Seit Beginn der Ermittlungen hatten zwei Menschen den Tod gefunden. Zwei weitere lagen schwer verletzt im Krankenhaus, und er und sein Team waren dem Täter kein Stück näher gekommen. Ganz im Gegenteil beschlich ihn das Gefühl, dass dieser mit ihnen spielte und auch die Regeln festlegte. Diese Erkenntnis und der feste Wille, selbst das Spiel zu übernehmen, hatten seinen wegdämmernden Geist erfüllt, als er endlich wieder eingeschlafen war.
Der erste Lichtblick des Tages war Sophie Erdmann, die eigentlich bis zum kommenden Mittwoch in Urlaub sein sollte. Braungebrannt von der Sonne der Kanaren saß sie wie ein Fremdkörper zwischen dem blassen Siran und Steinrausch, denen er die Strapazen der Ermittlung von den Gesichtern ablesen konnte.
Er lächelte sie dünn an. »Was machst du denn hier?«
»Nach den Schlagzeilen vom Morgen wollte ich euch doch nicht hängen lassen.«
»Schön, dass du da bist.«
Sie war mittlerweile gut eineinhalb Jahre in Trier, hatte sich anfangs als hierher strafversetzt gefühlt, doch nun lebte sie in fester Beziehung mit ihrem Rechtsmediziner Stefan Güttler und machte nicht den Anschein, jemals wieder nach Mainz zurück zu wollen. Groß und gut aussehend wurde sie von männlichen Kollegen, aber auch manchem Kriminellen falsch eingeschätzt.
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