Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
und trat nun vor. Sie war hübsch, ihrem Vater äußerlich sehr ähnlich, aber auch die arrogante Überheblichkeit, die dieser ausgestrahlt hatte, wie die Sonne das Licht, war ihr zu eigen. »Papa ist tot, und wir sollten der Polizei helfen, seinen Mörder zu fassen.« Sie strich sich eine Strähne ihres langen, kastanienbraunen Haars aus dem Gesicht und stellte sich zu ihrer Mutter, die sie ablehnend musterte.
»Ich muss das alles erst einmal begreifen, mich in dieser Situation zurechtfinden, kannst du das nicht verstehen?«
»Doch, nur die Herrschaften von der ...«
»Lass mich in Frieden«, brauste Eva Kaiser auf. »Dein Vater liegt ermordet in irgendeinem Kühlhaus und wird obduziert. Der Täter ist mir heute scheißegal.«
Sophie Erdmann unterbrach den Streit: »Hatte Ihr Mann Feinde?«
»Nein«, antworteten beide Frauen wie aus einem Mund und schwiegen dann.
»Ich bitte Sie«, Lichthaus schüttelte den Kopf, »in seiner Position hat man doch Feinde.«
»Aber nicht solche. Ich kenne niemanden, der ihn umbringen würde.« Eva Kaisers Gesicht war grau geworden.
»Mein Vater hatte gewiss einige Streitereien im Ministerium, nur haben die alle, und niemand wird gleich ermordet.« Die Tochter hatte helle Haut, und trotz des fortgeschrittenen Winters konnte er Sommersprossen auf der schmalen Nase erkennen.
»Denken Sie an jemand Speziellen?«
»Nein, ich bin seit vielen Jahren in Aachen, erst zum Studium und jetzt als Assistentin, da blieb nicht die Zeit, um sich über so etwas zu unterhalten. Das war Nebensache, einfach zu unwichtig, um ein Thema draus zu machen.«
»Er hat nie von Drohungen oder Ähnlichem gesprochen?«
»Mit mir nicht.« Janina schaute auf ihre Mutter.
»Nun, mein Mann war sehr verschwiegen.«
»Was ist mit dem Drohbrief?«
»Das ist der einzige gewesen, den ich je zu Gesicht bekommen habe. Egbert hat darüber gelacht.«
»Trotz des Mordes an Horst Görgen?«
»Ja. Sehen Sie hier eine Verbindung?«
Lichthaus wich aus, wollte keine Erkenntnisse an die Öffentlichkeit dringen lassen. »Wir prüfen alles. Die Kollegen haben Hinweise auf eine Bankverbindung der hiesigen Sparkasse und eine in Luxemburg gefunden. Haben Sie die Unterlagen?«
Eva Kaiser schüttelte den Kopf, während er aus den Augenwinkeln heraus beobachtete, wie Janina ihre Mutter anfunkelte. »Diese Dinge befinden sich im Arbeitszimmer. Für das Sparkassenkonto habe ich eine Vollmacht, von einem Konto in Luxemburg weiß ich nichts.«
»Hat Ihr Mann einen Safe oder ein Bankschließfach gehabt?«
»Wir haben einen Safe oben im Schlafzimmer, da liegen aber nur mein Schmuck und private Papiere drin. Ihre Kollegen haben den bereits gesichtet.«
Lichthaus drehte sich um. »Wissen Sie etwas?«
Janina Kaiser wirkte überrascht: »Ich, wieso denn ich?«
Du bist ganz die Tochter deines Alten, ging es ihm durch den Kopf. Die junge Frau log annähernd perfekt, fast unmerklich hatte sich ihre Stimme nur um eine Nuance erhöht.
»Es kann ja sein, dass er Ihnen Dinge anvertraut hat, die Ihre Mutter nicht hören sollte oder anders wahrgenommen oder vergessen hat.«
»Nein, meine Eltern haben eine harmonische, ehrliche Beziehung geführt.«
»Das beantwortet nicht meine Frage.«
»Ich weiß nichts von den Geschäften meines Vaters.« Nun hatte sie sich vollkommen im Griff, doch Lichthaus fixierte sie den einen Augenblick länger, der ihr zeigte, dass er zweifelte. Sie blinzelte. »Nun, gibt es sonst noch etwas? Ich würde mich gerne um meine Mutter kümmern.«
Fünf Minuten später saßen sie im Auto.
»Und?«
Sophie Erdmann verstand. »Sie lügt – also die Tochter. Ich habe den Eindruck, sie will erst mal selbst checken, was da ist, bevor sie es uns offiziell untersuchen lässt.«
Lichthaus nickte. »Ja, sie weiß Bescheid, nur warum mauert sie?«
»Gier? Vielleicht befürchtet sie auch, es könnten Dinge herauskommen, von denen sie partout nicht will, dass sie in die Öffentlichkeit dringen.«
»Eben. Sie wird ab sofort observiert. Mal sehen, was passiert. Was hältst du von der Ehefrau?«
»Sie hat keine Ahnung. Er hat sie bewusst rausgehalten. Mein Mann war sehr verschwiegen – so ein Unsinn. Du redest doch sicherlich mit Claudia über die Arbeit, also über das, was dich am Tag so beschäftigt, oder?«
»Ja, natürlich.«
»Die Frau ist außen vor geblieben, aber die Tochter scheint mehr von ihrem Vater zu wissen.«
»Das wird nicht einfach, die ist aalglatt, genau wie der Alte.«
*
Um exakt acht Uhr
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