Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
Ecke am meisten versprechen. Leider gibt der Drohbrief hier keine eindeutige Auskunft.«
Donnweiler hielt inne und trank aus einer Tasse irgendein Getränk, das nicht nach Kaffee aussah, und Lichthaus nutzte den unterbrochenen Redestrom, um eine Frage anzubringen: »Wie sind Ihre Erfahrungen aus anderen Fällen?«
»Nun, Sie haben es relativ einfach, da der oder die Mörder über die Auswahl der Opfer Ihrer Suche eine Richtung vorgibt. Sie können Querverbindungen herstellen. Das heißt jedoch auch, es könnte ihm egal sein, ob Sie ihn schnappen. Sollte seine Rache noch weitere Personen betreffen, werden diese durch die Ermittlungen extrem gefährdet, denn er weiß natürlich, dass er sich beeilen muss.«
Brauckmann hob die Hände. »Die potenziellen Opfer kann ich aber erst warnen, wenn ich den Täter kenne.«
Donnweiler lächelte sardonisch. »Das ist wie in einer Tragödie von Sophokles.«
»Von wem?« Lichthaus verstand nicht.
»Einem griechischen Dichter«, Brauckmann grinste schwach.
Das Gesicht verschwamm auf dem Bildschirm, als der Analytiker sich ruckartig bewegte, um fortzufahren. »Das Problem ist hier die Frage, wie sensibel Ihr Mörder für Ungerechtigkeiten ist. Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als alle Möglichkeiten abzuklopfen. Beschränken Sie sich aber zunächst auf augenfällige Ereignisse. Die Wucht der Rache zeigt tiefste Verletztheit, die nach Ausgleich schreit. In meinen Augen geht es nicht um eine Lappalie.«
»Er hat eine Reporterin zum Tatort gelotst, damit diese die Tat beobachtet. Sollen wir der Frau grünes Licht für einen Artikel geben?«
»Natürlich. Das wird ihn vielleicht etwas herunterbringen.«
*
Die Pressekonferenz war ein Spießrutenlauf. Vor Ulrike Ahlers war eine Unzahl an Mikrofonen aller Sender aufgestellt, der Pressesaal, in dem ein ständiges Blitzlichtgewitter niederging, hell von Scheinwerfern erleuchtet. Pieper wirkte wie ein geprügelter Hund und beantwortete wortkarg die nicht enden wollenden Fragen der Reporter. Insbesondere der Vorwurf, einen Unschuldigen bezichtigt und zu einer Straftat getrieben zu haben, hing wie ein Damoklesschwert über ihnen. Zum Stand der Ermittlungen sagten sie kaum etwas, versteckten sich hinter ermittlungstaktischen Gründen. Das Palaver dauerte annähernd eine Stunde.
Als Lichthaus endlich dem stickigen Raum entfliehen konnte, dröhnte sein Kopf, und ein Blick in die Runde zeigte ihm, dass die anderen sich ebenfalls nicht gut fühlten. Der Polizeipräsident trug eine angespannte Miene zur Schau, doch zollte ihm Lichthaus Respekt. Er hatte sich breit vor seine Beamten und insbesondere die Kommission gestellt und wenig Kritik an deren Arbeit zugelassen, hatte auf die Fülle an Beweisen gegen Görgen hingewiesen, war aber auch auf die Zweifel innerhalb der Ermittlergruppe eingegangen, die in der vorhergehenden Pressekonferenz schließlich angeklungen seien.
Fünf Minuten später war Lichthaus zurück im Büro und rief kurz Claudia an, die bei ihren Eltern in Wittlich war, um dann Henriette mit nach Hause zu bringen. Wochenenden wie diese hasste Lichthaus von ganzem Herzen. Seine Familie unternahm notgedrungen etwas allein, während auf der Dienststelle die Kacke am Dampfen war, wie Steinrausch zu sagen pflegte. Glücklicherweise kam es nur selten vor, dass sie selbst am Sonntag ermitteln mussten, auch wenn in Trier aufgrund der Nähe zur Grenze nach Luxemburg nicht gerade wenig Kriminelle unterwegs waren.
Im Nachbarraum dampfte Sirans Çaydanlik vor sich hin, und er nahm gerne den angebotenen Tee. Steinrausch schaute abwesend aus dem Fenster, und Lichthaus beugte sich zu ihm hinüber. »Geht’s?«
»Busse hat mich ganz gut aufgebaut, sagt, es wäre ein Wunder, dass ich noch nie in einer solchen Situation gewesen sei. Er hat dann einige Beispiele gebracht, und du warst natürlich auch dabei, doch eigentlich hilft das alles nur, wenn man beschäftigt ist. Eine Sekunde Pause, und deine Gedanken drehen sich von vorne um die eigene Schuld.«
Er klopfte Steinrausch mitfühlend auf die Schulter und log: »Glaub mir, eines Tages ist es vorüber. Du konntest nicht mit Görgens Reaktion rechnen, also mach dir nicht allzu viele Vorwürfe.«
Der Çay strömte warm durch seinen Körper, und wie üblich hatte Siran etwas Süßes mitgebracht. Heute waren es Blätterteigtaschen mit Apfelmus und Zimt.
»Ich musste mich gestern ablenken und habe lange gebacken, bevor du mich ins Amphitheater genötigt hast.«
Lichthaus lächelte
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