Bauernopfer
herumtrieb.
»Bin ich jetzt verdächtig, weil ich erb’?«, fragte Bichler verblüfft.
»Reine Routinefrage.«
»Wann genau?«
»Den ganzen Samstag.«
Bichler schraubte die Schneeschaufel fest und wischte seine ölverschmierten Hände an einem ebenso ölverschmierten Lappen ab und antwortete, er sei am Samstagvormittag zu Hause gewesen, wie immer. Nachmittags habe er im Sportheim das Spiel des FC Bayern angesehen wie jeden Samstag. Und spät abends sei er wieder zu Hause gewesen, und zwar allein, auch wie jeden Samstag.
Charly hatte den Ölfleck mittlerweile über beinahe den ganzen Oberschenkel verteilt. Er vereinbarte mit Manfred Bichler einen Termin, um die Aussage auf der Dienststelle schriftlich festzuhalten, und verabschiedete sich.
Bichler wischte immer noch seine Hände in den Lappen, als Sandra sich nach ein paar Schritten noch einmal umdrehte. Sie tippte sich an die rechte Wange und fragte: »War Ihr Vater Linkshänder?«
Auch Bichler strich sich noch einmal über die rechte Backe. »Äh, ja – glaub schon.«
Charly sah Sandra verwundert an, begriff aber dann und sagte: »Zefix, das war mei’ neueste Jeans.«
Eigentlich hatten sie vorgehabt, direkt zur Adresse von Christian Bichler, dem älteren Sohn, weiterzufahren. Aber derart schmutzig konnte die Kripo dort natürlich nicht auftauchen. Also ging es zunächst zu Charly nach Hause. Sandra wartete im Wagen, während er sich umzog. Petra war nicht daheim und Charly hätte es mit seiner schmerzenden, steifen Schulter fast nicht geschafft, sich die besudelte Jeans abzustreifen und eine frische anzuziehen. Er war versucht, Sandra hereinzurufen und um Hilfe zu bitten. Aber wie er sein Glück kannte, würde wahrscheinlich Petra genau in dem Moment zur Haustür hereinkommen, wenn ihm die hübsche, junge Kollegin im Schlafzimmer die Jeans aufknöpfte. Dann wären alle Erklärungen sinnlos. Darum biss er auf die Zähne und ignorierte die Schmerzen. Auf der Fahrt zurück in die Stadt hörte Charly langsam wieder auf zu schwitzen.
Christian Bichler wohnte mit seiner Familie im vornehmen Westviertel. Hier residierte, wer zur städtischen High Society gehörte oder gehören wollte. Das Haus der Bichlers glich einem kleinen Schloss. Eine breite Auffahrt führte zur Doppelgarage mit Rundbögen. Der Eingang mit Marmortreppe und Säulen glich dem Portal eines Hotels. Links ein Türmchen, rechts ein Erker. Um das Grundstück lief ein verschnörkelter Eisenzaun auf weißem Sockel. Dahinter lagen gepflegte Rasenflächen und Blumenbeete. Ohne Unkraut, dafür mit kleinen Statuen und Pflanzkübeln. Charly war froh, eine saubere Hose anzuhaben.
Eine kleine, alte Frau in einer ärmellosen Kittelschürze öffnete ihnen die Tür und sah sie an, als hielte sie sie für Zeugen Jehovas und wäre absolut nicht gewillt, über den Frieden in der Welt zu diskutieren. Die Ermittler wiesen sich aus und fragten nach Herrn Christian Bichler.
»Die Herrschaften sind nicht da«, bellte die Frau, und es klang, als hätte Charly gefragt, ob er jemandem im Haus die letzte Ölung geben dürfe. Dann besann sie sich und stellte sich als Haushälterin vor, zuständig für Kochen, Putzen und Waschen. Der Herr sei jetzt natürlich in der Arbeit, bei der Audi, irgendwas Höheres. Er komme immer erst spät abends heim. Außer am Dienstag, so wie heute. Da komme er früher, weil er sich um seinen Sohn kümmern müsse. Dienstags gehe seine Frau nämlich abends immer weg, was Künstlerisches.
Man konnte hören, wie die Stimme der Haushälterin sich abkühlte, als sie von Bichlers Gattin sprach. Offenbar verteilte sie ihre Sympathien unter ihren Arbeitgebern nicht gleichmäßig. Die gnädige Frau sei heute auch in der Arbeit, oder was sie halt als Arbeit bezeichne. Ein paar Stunden pro Woche half sie einer Freundin, die ein kleines Geschäft in der Fußgängerzone betrieb. Es gab dort Gürtel und Ohrringe und Taschen und Hüte und noch mehr so Zeug. Zu Preisen, für die sich die Haushälterin jeweils fünf Kleider kaufen könnte, gute Kleider.
Um den Gesprächsfluss am Laufen zu halten, fragte Sandra, wer sich denn so liebevoll um den Garten kümmere.
Die Frau erwiderte vehement, die gnädige Frau würde nur im Sommer ein bisschen an den Sträuchern herumzwicken. Meistens am Wochenende, damit die Nachbarn es auch bestimmt mitbekämen. Unter vorgehaltener Hand flüsterte sie noch, der Gärtner würde sich nachher immer über die verschnittenen Sträucher ärgern.
Über das Verhältnis der
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