Bauernopfer
optisch-akustischen Aperitif der Appetit vergangen.
Seitdem versuchte er, seine Wahrnehmung auf den eigenen Tisch und die allernächste Umgebung zu beschränken.
Sandra hatte den Gemüsestrudel gewählt und Helmuth das Fischfilet. Charly rechtfertigte die Wahl der Schweinshaxe mit Kraut und Knödel damit, dass er den Knochen für seinen Hund mit nach Hause nehmen wollte.
Nach dem Essen ließ sich Charly auf den Beifahrersitz des Dienstwagens fallen. Außer dem Muskelkater, der in den Oberschenkeln und Waden schmerzte, lag ihm jetzt auch noch die Schweinshaxe im Magen. Den Knochen für den Hund hatte er vergessen.
Helmuth hatte den Besuch seiner Kollegen telefonisch beim Leiter des Werkschutzes, den er aus der gemeinsamen Schulzeit kannte, angekündigt und sich nach Christian Bichlers Arbeitsplatz erkundigt. Die Kripobeamten mussten sich nur kurz am Tor 10 anmelden und konnten dann aufs Werksgelände fahren. An der Pforte erhielten sie einen Lageplan und fanden so in dem Labyrinth aus Produktionshallen, Verwaltungsbauten, Werkstätten und Versuchslaboratorien das hohe Gebäude mit den verspiegelten Fenstern, das ihnen der Mann am Schlagbaum beschrieben hatte. »V3« stand in meterhohen gelben Lettern neben dem Eingang.
Bichlers Büro befand sich im fünften Stock. Charly war sich sicher, dass der Werkschutz ihr Kommen angekündigt und Bichler daraufhin seine Kollegen unter einem Vorwand hinauskomplimentiert hatte. Er war allein im Büro und saß an einem hellen Schreibtisch vor dem großen Fenster, von dem aus man einen beeindruckenden Blick über einen Großteil der verschachtelten Firmengebäude und Werkshallen hatte.
Er trug eine graue Hose und ein weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln. Das passende Sakko hing über seinem Stuhl. Er roch wieder nach dem sehr herben Rasierwasser und begrüßte die Beamten, ohne zu lächeln.
»Herr Bichler, wir haben Ihr Alibi überprüft. Sie waren am Samstag nicht beim Tennisspielen.«
Bichler schien nicht sehr überrascht. »Ich weiß, ich wurde bereits angerufen.«
»Wo waren Sie denn wirklich am Samstag? Auf dem Hof bei Ihrem Vater?«, fragte ihn Charly.
Bichler ging quer durchs Büro und öffnete eine Verbindungstür zum Zimmer nebenan.
»Nicole, kommst du mal bitte.«
Eine gutaussehende junge Frau mit schulterlangen schwarzen Haaren trat durch die Tür. Ein schwarzes Kostüm modellierte die Rundungen ihrer schlanken Figur sehr ansprechend.
»Die Herrschaften möchten gerne wissen, wo ich am Samstagnachmittag war«, erklärte ihr Bichler.
Nicole sah Charly direkt in die Augen und verkündete mit fester Stimme: »Soweit ich weiß, war Herr Bichler am Samstag im Tennis-Club.«
Mit einem dankbaren Lächeln und hochgezogenen Schultern klärte Bichler sie darüber auf, dass die Beamten schon wussten, dass er nicht beim Tennis war.
»Sag ihnen, wo ich wirklich war, Schatz.«
Das brachte Nicole jetzt ein wenig aus der Fassung. Sie blickte nervös zwischen Bichler, Sandra und Charly hin und her, senkte dann den Blick und stammelte: »Herr … Herr Bichler war … war am Samstag bei mir.« Sie wirkte erleichtert, als es heraus war. Vermutlich war es ein großer Schritt, ihr Verhältnis jetzt zum ersten Mal quasi öffentlich eingestanden zu haben.
Sandra ging mit Nicole ins Nebenzimmer, notierte ihre Personalien und fixierte eine kurze Aussage, die sie von ihr unterschreiben ließ. Bichler gestand Charly unterdessen, das Verhältnis mit Nicole bereits seit über einem Jahr zu unterhalten. Man sah sich regelmäßig am Samstag, ab und zu unter der Woche und von Zeit zu Zeit unternahm man gemeinsame Dienstreisen nach Wolfsburg oder ins ungarische Györ. In der Firma hielten sie die Beziehung geheim. In jovialem Tonfall und mit einem verschwörerischen Lächeln bat Bichler darum, die Beziehung auch weiterhin seinem Arbeitgeber und seiner Familie gegenüber unerwähnt zu lassen, was Charly ihm aber nicht versprechen mochte.
»Ich hab gehört, Sie durchlaufen gerade einen finanziellen Engpass?«, fragte er stattdessen.
Bichler zog die ganz leicht angegrauten Augenbrauen hoch und sah sein Gegenüber überrascht an. Das Verschwörerlächeln war verschwunden. Er könne sich nicht vorstellen, dass seine Finanzen die Polizei irgendetwas angingen, entgegnete er kühl.
Charly hakte nach: »Wir ermitteln in einem Mordfall und Geld ist immer ein beliebtes Motiv. Ich kann mir natürlich einen richterlichen Beschluss holen und zu Ihrer Bank marschieren. Dann erfahre ich es
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