Bauernopfer
Grund zu feiern und gab Freibier oder eine Brotzeit aus, dann blieb er auch mal noch eine Stunde sitzen. Das war aber an dem Samstag, als der Bichler-Bauer getötet wurde, nicht so, und darum war der Manfred wahrscheinlich um Viertel nach fünf gegangen. Genau wusste das der Wirt aber nicht. Danach hatte Helmuth seine Ermittlungen in der Bahnhofskneipe fortgeführt. Dort kannten sie den Manni auch. Er war halt einfach immer am Samstagabend da, aber keiner konnte sagen, wann er kam und ging. Mit Uhrzeiten nahm man es hier nicht so genau.
Helmuth war mit einem der Gäste im Gleis 1 ins Gespräch gekommen und hatte nach einiger Zeit festgestellt, dass sie früher zusammen in der Schülermannschaft des MTV Ingolstadt gespielt hatten, Helmuth als Linksaußen, sein Gesprächspartner als Vorstopper. Der Verteidiger war auch am Samstag immer da und stand dann mit Manni am Stammtisch. Er sagte, der Manni rede gern über Fußball und über dämliche Entscheidungen des Stadtrates, die der Bauhof dann umsetzen musste. Wenn der ICE Berthold Brecht nach Hamburg – fahrplanmäßige Durchfahrt um 20.27 Uhr – durchrausche, trank der Manni immer sein Bier aus und verabschiedete sich. Wo er danach hinging und was er machte, wusste keiner in der Bahnhofskneipe.
Schließlich hatte Helmuth sein Glück im Hirschen versucht. Aber Müller kannte ihn als Polizist und hatte einen sehr verstockten Eindruck auf Helmuth gemacht. Er habe Wenz und dem Kommissar von der Mordkommission schon alles erzählt. Müller hatte sehr darauf geachtet, dass die Tür zur Küche immer geschlossen blieb und hatte sogar zwei Jugendliche vom Geldspielautomaten gescheucht und aus der Gaststätte verwiesen, obwohl sie lauthals protestierten, weil sie hier sonst doch auch immer spielen dürften.
Da hatte es Helmuth eigentlich schon gereicht, denn um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, musste er ja überall mindestens ein Bier trinken. Dennoch hatte er sich entschieden, den Ermittlungsauftrag komplett zu erfüllen und sich auf den Weg zum Donau-Ruder-Club gemacht, in der Hoffnung, dort »zufällig« seinen Bekannten von der Sparkasse zutreffen. Den hatte er auch wirklich getroffen und sie hatten sich prächtig unterhalten, stundenlang. Von Konten der Bichlers wusste er allerdings nichts. Der alte Bichler hätte früher mal ein Sparkonto bei der Sparkasse gehabt, das er jedoch nach einem Streit um Zinsen und Gebühren irgendwann aufgelöst hatte.
Gegen Mitternacht hatte Helmuth erkannt, dass seine Ermittlungen keine tief greifenden Erkenntnisse mehr brachten, und hatte seine Untersuchungen beendet. Rein privat und nur um der alten Zeiten willen hatte er mit dem Banker noch zwei oder drei Willis getrunken, bevor er endgültig nach Hause gewankt war. Zum Abschluss seiner Schilderung teilte er mit, dass er im Hinblick auf seine körperliche Unversehrtheit derartige Ermittlungsaufträge nur noch in wichtigen Ausnahmefällen übernehmen werde.
»Okay, Helmuth«, sagte Charly und klatschte in die Hände, »trink du erst mal in Ruhe deinen Kaffee aus. Sandra und ich suchen die alten Akten. Auf geht’s!«
»Zefix«, krächzte Helmuth, »g’hört dann vielleicht der ganze blöde Raubmord in dem blöden STUPID erfasst, oder?«
Charly lächelte ihn an.
»Zefix.«
Zwei Räume standen der Kripo zur Aufbewahrung alter und umfangreicher Akten oder Asservate zur Verfügung, einer unter dem Dach und ein weiterer im Erdgeschoss. Nachdem sie sich die Generalschlüssel besorgt hatten, teilten sie sich auf und Charly übernahm das Dachgeschoss. In zahlreichen Eisenregalen stapelten sich vergilbte Aktenordner bis unter die Decke. Daneben standen am Boden zahlreiche Kisten mit sichergestellten Pornoheften, Videokassetten, rechtsextremen Schriften, Opferkleidung und die technische Ausrüstung einer kompletten Marihuana-Aufzuchtstation. Ein System war in der Ablage der Ordner nicht zu erkennen und so blieb Charly nichts anderes übrig, als Regal für Regal zu durchsuchen, was noch dadurch erschwert wurde, dass viele der noch brauchbaren Aktenordner anscheinend vor der Archivierung durch alte, abgegriffene Aktendeckel ersetzt worden waren, auf denen dann die Rückenschilder fehlten. Daher musste Charly immer wieder Ordner aus dem Regal nehmen, sie aufschlagen und den Inhalt überfliegen. Erst nach zwei Stunden war er sich sicher, dass in diesem Raum nichts von dem Raubmord aus dem Jahr 1975 zu finden war.
Bei Sandra im Erdgeschoss hatte es nicht anders ausgesehen, ein paar
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