Bauernopfer
leidenschaftlichen Ermittler nie los.
Stöbner selbst war damals als junger Kommissar zum Tatort gefahren. Es war ein Samstagabend und die Ehefrau hatte ihren Mann auf dem Teppich im Wohnzimmer gefunden, als sie von der Abendmesse nach Hause kam. Der Täter hatte ihn mit einem schweren Glasaschenbecher vom Wohnzimmertisch erschlagen. Ein Schlag hatte das fünfundsechzigjährige Opfer am Hinterkopf getroffen, ein zweiter an der linken Schläfe. Spachtholz lag auf dem Rücken zwischen Wohnzimmertisch und Sofa und der Tatort sah aus, als hätte ein kurzer Kampf stattgefunden. Im Wohnzimmer waren Schubläden herausgerissen und Schranktüren geöffnet, berichtete Stöbner. Wie sich später herausstellte, fehlten zwei goldene Uhren, eine Münzsammlung und ein Sparbuch. Ein größerer Geldbetrag, der im Schlafzimmer in einem Nachttisch lag, war immer noch da. Offenbar war der Täter im Wohnzimmer vom Hauseigentümer überrascht worden, woraufhin es zu einem Handgemenge gekommen war. Der Wohnzimmertisch, der Aschenbecher und der Schrank waren abgewischt worden. Es konnten damals keinerlei Spuren gesichert werden, die dem Täter zuzuordnen waren. Die Idee, beim Opfer den Fingernagelschmutz zu sichern, stammte von Stöbner
Das Opfer, Johann Spachtholz, war nicht reich, aber wohlhabend gewesen. Er hatte nach dem Krieg in seiner Garage begonnen, alte Wehrmachtfahrzeuge auszuschlachten und den Schrott der Amerikaner zu verwerten. Auch Restbestände an Fahrzeugteilen aus den Militärdepots hatte er aufgekauft. Schließlich hatte er sich auf den Umbau und die Verarbeitung von Filtern spezialisiert, die er an Unternehmen wie VW, Miele und Bauknecht für deren Autos, Staubsauger und Küchengeräte weiterverkaufte. Er gründete seine Firma, beschäftigte am Schluss 25 Mitarbeiter und hatte ein ganz passables Einkommen. Das Haus des Ehepaares Spachtholz lag damals noch ein wenig außerhalb von Haunwöhr, und niemand hatte zur relevanten Zeit eine verdächtige Person wahrgenommen. Der Fall erregte in der seinerzeit noch recht verschlafenen Donaustadt großes Aufsehen und beschäftigte die Polizei über lange Zeit. Obwohl alle bekannten Kriminellen und halbseidenen Ganoven überprüft worden waren, hatte sich nie eine heiße Spur ergeben. So ging man am Ende von einem auswärtigen Täter aus, der sich nach dem missglückten Einbruch vielleicht sogar ins benachbarte Ausland abgesetzt hatte. Die gestohlenen Uhren, die Münzsammlung und auch das Sparbuch waren nie wieder aufgetaucht.
Charly und Sandra stellten verschiedene Fragen, und es war faszinierend, wie sich Stöbner nach über 30 Jahren immer noch an jedes Detail erinnerte. Ohne lange nachdenken zu müssen, beantwortete der Pensionist jede Frage ausführlich und Charly gewann den Eindruck, Luk Stöbner hätte jederzeit die Ermittlungen wieder aufnehmen können.
Lisa, die während des dienstlichen Teils des Gespräches verschwunden war und nur kurz einmal auftauchte, um Wasser und Apfelschorle anzubieten und ihrem Mann ein frisches Weißbier zu servieren, kam zurück und erinnerte ihren Luk daran, dass die Enkel jetzt dann kämen, um mit Opa und Oma Kastanien und Eicheln für die Rehe im Wald zu sammeln. Verblüfft stellte Charly fest, dass sie schon knapp drei Stunden im Wintergarten der Stöbners saßen. Er dankte dem ehemaligen Kollegen. Stöbners detaillierte Erinnerungen waren eine große Hilfe gewesen. Natürlich würden sie die Akten bei der Staatsanwaltschaft anfordern; aber bis man endlich das Papier in der Hand halten würde, konnte noch viel Zeit vergehen. Stöbner versicherte, jederzeit zur Verfügung zu stehen, sofern er und Lisa zu Hause seien.
»Übrigens«, sagte Luk, als Sandra und Charly gerade das Haus verließen, »die Firma vom Spachtholz gibt’s immer noch. Nur heißt die jetzt natürlich anders. Des is’ heut die Gessler GmbH.«
Samstag, 25. Oktober
Nach dem Spiel hatte Charly Mühe, sich bis zu seinen Fuß ballschuhen zu bücken, um sie vor der Kabine abzustreifen. Im Umkleideraum ließ er sich auf die Bank sinken und fühlte sich nur noch müde und kaputt. Auch sein Kopf war völlig leer, und das war das Gute daran. Denn die Gedanken an die Ermittlungen hatten ihn die letzten Tage und Nächte permanent beschäftigt. Seit sich durch Stöbners Mitteilung ein Zusammenhang zwischen dem Mord an Bichler, dem Überfall auf Spachtholz und der Firma Gessler eröffnet hatte, drehten sich Charlys Gedanken im Kreis.
Gessler war in Spachtholz’ Firma
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