Bauernopfer
unglückliches Zweikampfverhalten ausgetauscht, die Stärken und Schwächen der beiden Mannschaften durchleuchtet und die Meisterschaftschancen des FC Bayern München analysiert wurden. Irgendwann bestellte Bertl sich sein drittes Weißbier. Klonk, Prost.
Nach einem Umweg über Autos, Häuser und Arbeitsplätze gelang es Charly wie zufällig, das Gespräch auf die Firma Gessler zu lenken. Als Bertl erzählte, er arbeite schon lange beim Gessler und hoffe, dass das die nächsten Jahre so bleiben werde, ließ ihn Charly wissen, dass er im Rahmen der Ermittlungen zum Fall Bichler vor Kurzem bei Herrn Gessler vorstellig geworden war. Bertl bestellte sich das nächste Weißbier – Klonk, Prost – und begann zu erzählen. Seine Augen leuchteten, wenn er von seinem Betrieb sprach. Charly musste nur noch ab und zu eine kleine Frage ins Gespräch einstreuen, um die Ausführungen in der richtigen Richtung zu halten.
Vor 25 Jahren war Bertl als Werkzeugmacher zur Firma Gessler gekommen. Heute trug er ein enormes Maß an Verantwortung im Produktionsablauf und stellte eine Art Vorarbeiter dar. Den alten Spachtholz hatte er nicht mehr persönlich gekannt. Doch aus Erzählungen älterer Kollegen und von zahlreichen Firmenfeiern kannte Bertl sowohl die Geschichte des Unternehmens als auch die vom Raubmord am Firmengründer. Es sei zwar tragisch, aber irgendwie doch ein Glück für die Firma und damit auch für ihn gewesen, erklärte Bertl. Spachtholz sei ein alter Mann gewesen, der keine Veränderungen und keine Neuerungen gemocht oder auch nicht mehr den Mut dafür gehabt hatte. Er hätte den Betrieb so laufen lassen, wie er war und irgendwann wäre eben einfach Schluss gewesen. Klonk, Prost.
Aber Gessler als junger Ingenieur wollte mehr. Er kannte den Markt, er sah die Chancen und wollte modernisieren, sich spezialisieren und expandieren, ganz neue Geschäftsbeziehungen aufbauen und mit dem Ausland handeln. Er hatte beste Verbindungen, denn mit ihm hatte ein junger Mann aus Malaysia in Stuttgart Maschinenbau studiert und sich während der ganzen Studienzeit ein kleines, möbliertes Zimmer mit ihm geteilt. Die Familie dieses jungen Mannes betrieb in Malaysia eine Fabrik, die sich rasant entwickelte und sich ebenfalls spezialisierte.
»Computerzubehör und irgendwelche Spezialmaschinen«, antwortete Bertl auf Charlys Frage, was die malaysische Firma herstelle. Diese Firma wurde zu Gesslers Hauptgeschäftspartner, als er damals Spachtholz’ Betrieb übernahm. Innerhalb von ein paar Jahren war aus der Gessler GmbH ein blühendes Unternehmen geworden.
»Heut schaut’s aber irgendwie nicht sehr blühend aus, hab ich den Eindruck«, warf Charly ein. Die ersten seiner Mannschaftskameraden machten sich auf den Heimweg, aber er wollte dieses Gespräch jetzt nicht beenden.
»Ja, irgendwann ist es denen in Malaysia auch nicht mehr so gut gegangen«, antwortete Bertl. Die Konkurrenz, die Dollarschwäche und noch einiges mehr hätten den Asiaten einige Jahre zu schaffen gemacht und damit habe sich auch die Gessler’sche Auftragslage immer weiter verschlechtert. Manche Worte musste Bertl schon etwas langsamer aussprechen, um sich nicht zu verhaspeln.
»Geh Rosl, bringst uns noch eins!« Klonk, Prost.
»Und wie geht’s jetzt weiter mit’m Gessler?« Auch Charly merkte, dass er sich beim Sprechen schon stärker konzentrieren musste, und bestellte sich eine Brotzeitplatte mit einem zweiten Besteck, um nachträglich noch eine solide Grundlage zu schaffen.
Diese Asiaten hätten einen ganz komischen Ehrenkodex, erzählte Bertl weiter. »Wenn die jemanden persönlich kennen und schon lange mit dir Geschäfte machen, dann halten die an dir fest. Ein deutscher Geschäftspartner hätte sich vom Gessler schon lange verabschiedet. Aber nicht diese Japaner.«
Charly stellte fest, dass Weißbier unter Umständen Ländergrenzen aufzuheben vermochte. Die Brotzeitplatte wurde serviert und er bot Bertl das zweite Besteck zum Mitessen an. Der lehnte aber dankend ab. Klonk, Prost.
»Die ham no’ eine Ehre im Leib! Verstehst, was ich dir sag: Eine Ehre ham die no’ im Leib.« Bertls Zunge wurde immer schwerer. Er ließ sich nun doch dazu hinreißen, eine Scheibe Brot mit Schinken und einem Essiggürkchen zu belegen und herzhaft hineinzubeißen, vermutlich, um sein Geografiezentrum wieder zu ordnen.
Diese Japse hätten einen riesigen Auftrag von ihrer Regierung erhalten und planten jetzt ein ganz neues Werk. Und da wollten sie den Gessler
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