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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Peter
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kurzfristig entschieden, mal wieder das Training der Alten Herren zu besuchen. Das Training selbst hatte ihm richtig gut gefallen. Beim Training der AH suchte man Konditionseinheiten, technische Übungen und taktische Schulungen vergebens. Die Anwesenden wurden einfach in zwei Mannschaften aufgeteilt und in einem verbissenen Match wurde nach eigenem Ermessen alles geübt, was man für nötig hielt. Nach dem Training allerdings hatten die Kicker im Umkleideraum gerade die erste Flasche Augustiner Edelstoff geöffnet, als der AH-Leiter verkündete, dass ihm vom SV Haunwöhr für kommenden Samstag ein zusätzliches Spiel angeboten worden sei und er zugesagt habe. Er brauchte also Spieler und da nur neun Mann das Training besucht hatten, kam Charly nicht umhin, seine Teilnahme zuzusagen.
    Das Spiel hatte mit einem hart umkämpften 2:2 geendet und Charly war insgeheim stolz auf seine Leistung. Jetzt genoss er das heiße Wasser aus der Dusche und seifte sich gründlich ein. Als endlich jeder der Alten Herren die zum Teil schon spärliche Haarpracht in die gewünschte Form gebracht hatte und dem Geruchscocktail noch zahlreiche verschiedene Deodüfte hinzugefügt worden waren, verließen sie geschlossen das olfaktorische Chaos im Umkleideraum und begaben sich zur taktischen Nachbesprechung in die Gaststätte des Vereinsheimes. Das Haunwöhrer Team saß bereits um einen Tisch in der Ecke und begrüßte durch ein kurzes Anheben der Weißbiergläser noch einmal die Ebenhausener Spieler. Einige der Kicker kannten sich seit vielen Jahren und bald entwickelten sich lebhafte Gespräche, in denen die entscheidenden Spielszenen über die Tische hinweg nachbereitet und mit dummen Sprüchen kommentiert wurden.
    Mittendrin beugte sich der AH-Leiter zu Charly herüber. »Charly, du hast mich doch vorhin nach der Firma Gessler gefragt.«
    Charly nickte. Der Trainer arbeitete in einem Reichertshofener Handwerksbetrieb, der oft in anderen Unternehmen Montage- und Wartungsarbeiten ausführte. Darum kannte er jede Menge Leute und war schon in vielen Firmen in der weiteren Umgebung beschäftigt gewesen.
    »Siehst den Rothaarigen dort, den linken Verteidiger?«, fragte der AH-Leiter weiter und deutete auf einen kräftig gebauten, etwa 50 Jahre alten Haunwöhrer mit gerötetem Gesicht. »Das ist der Hack-Bertl. Der arbeitet schon seit einer Ewigkeit beim Gessler.«
    Die Beschreibung als Rothaariger war wohl mehr der Erinnerung des AH-Leiters entsprungen, denn mittlerweile waren nur noch wenige der Haare leicht rötlich, die meisten grau und dünn und die in der Mitte überhaupt nicht mehr da. Charly hatte im Spiel die Position des rechten Läufers besetzt und war darum mit dem linken Verteidiger der Haunwöhrer einige Male zusammengetroffen. Gedankenverloren strich er sich über sein Schienbein, als er an die Zweikämpfe dachte. Dieser Verteidiger war, soweit Charly das beurteilen konnte, bei Leibe kein filigraner Techniker und bestimmt würden ihn einige blaue Flecken noch länger an die mitunter schmerzhaften Aufeinandertreffen erinnern. Außerdem hatte ihn der Gegenspieler während eines Kopfballduells mit dem Ellbogen am Auge getroffen – unabsichtlich, wie Charly zu dessen Gunsten annahm.
    Den Gesprächen seiner Mitspieler folgte Charly nur mit halbem Ohr. Stattdessen beobachtete er Bertl Hack. Er versuchte abzuschätzen, ob das gerötete Gesicht noch der Anstrengung während des Spieles geschuldet war oder ob bereits das Weißbier Wirkung zeigte. Hack machte einen ruhigen Eindruck. Nicht nur fußballtechnisch, sondern auch was die allgemeinen Lebensumstände betraf, schien er mit sich zufrieden zu sein. Im Team war er voll integriert, schwang aber keine großen Reden, sondern amüsierte sich lächelnd über die Sprüche der anderen. Wenn er ab und zu einen Kommentar abgab, dann trocken, passend und knackig. Als Bertls Nebenmann sich nach dem ersten Bier von der Runde verabschiedete, er sich aber ein zweites bestellte, ging Charly hinüber und setzte sich neben ihn.
    »Guads Spui«, eröffnete Charly das Gespräch wie eine Schachpartie mit dem ersten vorsichtigen Zug.
    »Hat scho’ passt«, war Bertls Konter mit einem schwarzen Bauern.
    Sie hoben ihre Weißbiergläser, tippten die Böden mit einem leisen »Klonk« aneinander und während Charly nippte, nahm Bertl einen herzhaften Schluck. »Prost.«
    Zug um Zug entwickelte sich ein Gespräch, in dem gemeinsame Spielszenen aufgearbeitet, Entschuldigungen für allzu rüde Attacken oder

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