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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Peter
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beschrieben worden, dem das Wohl und Weh des Unternehmens persönlich am Herzen lag. Ein Mann, der trotz seiner leitenden Funktion ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Mitarbeiter hatte und mit dem man reden konnte. Aus zwei oder drei Aussagen war ersichtlich, dass Frauen offenbar seine Schwäche waren und er von Zeit zu Zeit einer hübschen Arbeiterin oder einer Angestellten unverhohlen schöne Augen gemacht hatte.
    Um 11.30 Uhr pfiff Helmuth die Titelmelodie aus High Noon und tippte dazu im Takt. Also stand Charly auf und machte sich auf den Weg zu Mehmets Dönerparadies in der nahegelegenen Fußgängerzone. Kurz darauf betrat er den Laden direkt hinter einem Schüler, ausweislich eines verschmierten Aufklebers auf seinem Rucksack ein Angehöriger der Oberprima eines nahegelegenen Gymnasiums. Er trug eine Jeans, die Charly zur Gartenarbeit angezogen hätte, wenn nicht der Zwickel zwischen den Kniekehlen gebaumelt wäre. Auf den Nato-olivfarbenen Rucksack, dessen Riemen er über die hängenden Schultern gestreift hatte und der auf Höhe seines Hinterns hing, hatte er mit schwarzem Filzstift »Fuck the Army« und »Frei statt Bayern« gekritzelt.
    »Hallo, susammen«, sagte Mehmet.
    »Mahlzeit!«, sagte Charly.
    Der bayerische Schüler sagte nichts.
    »Was darf’s denn sein?«, fragte Mehmet den Gymnasiasten.
    »Schülerdöner«, nuschelte der Oberschüler in seinen Flaum.
    Mehmet bereitete den Schülerdöner zu, mit viel Fleisch, viel Soße und viel Salat zu einem billigeren Preis. Damit hoffte er offenbar, die heranwachsende Kundschaft dem schädigenden Einfluss der Leberkäs-Semmeln zu entreißen.
    »Gute Appetit, servus«, sagte Mehmet.
    »Tschüss«, sagte der bayerische Schüler, und Charly spürte einen Stich in seinem dialektalen Herzen.
    »Was darf ich Ihnen geben?«, fragte ihn der Dönerverkäufer dann.
    »Drei Döner, bitte«, bestellte Charly. »Einmal mit ohne scharf und ohne Zwiebel«, der war für Sandra, »einen ganz normal mit allem und scharf«, der war für Helmuth, »und einen mit viel scharf, extra Soße und viel Zwiebel, bitte.« Der war für Charly.
    Der Döner war ein Gedicht. Auch wenn Charly ständig darauf achten musste, den gefüllten Brotfladen in der durchweichten Papierserviette über dem Teller zu halten, damit die Extra-Soße nicht wieder auf seiner Jeans landete. Das Büro roch wie ein türkisches Spezialitätenrestaurant. Mehmet war für seine knoblauchhaltige Soße über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und beliebt, und Charly war froh, dass heute nur noch Aktenstudium auf dem Plan stand, denn er hatte bestimmt einen Atem wie ein ostanatolischer Dorfältester. Als Sandra aufstand, um für alle Kaffee zu holen, flog die Tür auf und Barsch erschien im Türrahmen.
    »Um 13.00 Uhr Besprechung für alle im Kaffeezimmer, okay?« Er rümpfte die Nase. »Und macht’s mal ’s Fenster auf, das ist ja furchtbar.«
    Ihnen blieb gerade noch genug Zeit, die Teller und die Papierservietten aufzuräumen und die Extra-Soße von der Schreibtischplatte zu wischen.
    In dem vollbesetzten Kaffeeraum fanden sie auf der Eckbank neben dem Kühlschrank Platz. Kurz nach ihnen betraten Barsch, Dienststellenleiter Garn und der Direktionsleiter, Polizeidirektor Rubin, das Zimmer. Garn nötigte Rubin unter krampfartigem Lächeln und unzähligen Bitteschön-Herr-Polizeidirektors auf einen Stuhl und nahm dann selbst am Kopfende des Tisches Platz. Barsch setzte sich links neben ihn.
    »Sehr geehrter Herr Polizeidirektor«, begann Garn, »liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie in unseren Räumen herzlich begrüßen. Wir haben diese Besprechung einberufen, weil wir in unserem Fall, der in der Öffentlichkeit und in den Medien großes Aufsehen erregt, einen Ermittlungserfolg zu vermelden haben. Näheres dazu sagt uns jetzt der verantwortliche Leiter der Ermittlungen, Kollege Barsch.«
    Barsch räusperte sich und drückte das Kreuz durch. »Nun, gestern Nachmittag konnten Mitglieder unserer AG Kiara das Opfer, Kiara Bierschneider, allein sprechen, ohne dass ihr Vater oder ihre Mutter dabei waren. Bei diesem Gespräch hat Kiara aufgrund des hohen Ermittlungsdruckes, den wir aufbauen konnten, nach einiger Zeit zugegeben, dass die ganze Sache frei erfunden war.«
    Gemurmel brandete auf, einige Kollegen klatschten in die Hände, andere schlugen auf den Tisch und wieder andere ließen hörbar die Luft ab und lehnten sich erleichtert zurück.
    Barsch hob die Hände. »Kiara hat gegenüber den Mitgliedern

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