Bauernsalat
weil sie ein Kapitalverbrechen auf dem Gewissen hatte und noch dazu mit ansehen mußte, wie ihr Sohn das eigentliche Opfer dieses Unternehmens wurde? Hannah mußte über eine innere Stärke verfügen. Anders hätte sie die vielen Jahre mit ihrem Schwager unter einem Dach, den Tod ihres Mannes und die alleinige Verantwortung für Elmar gar nicht ertragen können. Aber hatte Hannah auch die Stärke besessen, einen Menschen umzubringen, um sich von den bestehenden Problemen zu befreien? Verfügte sie über die notwendige Kaltblütigkeit?
Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Die Nervosität, die mich erfaßt hatte, war da nicht gerade förderlich.
Ich zögerte, was zu tun war. Christoph Steinschulte mit meiner Entdeckung konfrontieren? Selbst mit Hannah sprechen? Oder zunächst mal weitere Nachforschungen anstellen? Warum konnte Alexa jetzt nicht hier sein? Ich hätte sie so sehr gebraucht. So sehr.
32
Zur selben Zeit saß Alexa im Behandlungsraum der Tierarztpraxis Hasenkötter und machte Mittagspause. Sie war deutlich angeschlagen, versuchte aber bei ihren Arbeitskollegen so wenig wie möglich durchsickern zu lassen. Den Vormittag hatte sie einigermaßen überstanden, am Nachmittag würde sie ein bißchen herumfahren und Hausbesuche machen können. Das war auf der einen Seite anstrengender als die Sprechstunde in der Praxis, auf der anderen Seite war diese Arbeit abwechslungsreicher. Alexa hatte zum Mittag nur ein Joghurt gegessen. Sie konnte sich vorstellen, daß das für ihre Schwangerschaft nicht eben gut war, aber mehr hatte sie schon seit gestern nicht herunterbringen können. Allein der Gedanke an ihre Situation und die Möglichkeit daß Vincent sie betrogen hatte, verlieh ihr ein Brechgefühl, wie sie es sich schlimmer nicht vorstellen konnte. Alexa versuchte diese Gedanken zu verdrängen und das auf die unterschiedlichste Art und Weise. Im Moment war sie dabei, einen Zettel zu erstellen. Er enthielt Namen, Orte und Uhrzeiten. Am allermeisten aber enthielt er Fragezeichen. Vielleicht war das der Grund, warum Alexa so lange diesen Zettel anstarrte, nachdem sie ihn von oben bis unten beschrieben hatte. Wenn man ihn lange genug anstarrte, verschwammen die Buchstaben auf dem Blatt – und alles zusammen ergab das Symbol ihrer eigenen Situation: ein einziges verschwommenes Fragezeichen.
33
Was ich zuerst wahrnahm, war ein unbändiger Gestank. Als ich um die nächste Kurve fuhr, wußte ich auch, woher er stammte. Auf dem Acker an der Einfahrt zum Schulte-Vielhaber’schen Hof wurde Gülle gefahren – und das nicht zu knapp. Der Mann auf dem Trecker war Elmar. Ich erkannte ihn auf Anhieb und hielt daher rechtzeitig am Wegrand. Elmar pflügte mit einem Monstrum von Gerät Jauche unter – oder war es Gülle? Alexa hatte mir den Unterschied vor Urzeiten mal erklärt, doch hatte ich damals nicht vermutet, daß ich mal so eng mit der Landwirtschaft in Berührung kommen sollte.
Elmar wurde natürlich nicht auf mich aufmerksam, als ich ihn rief. Seine Maschine machte einen Heidenlärm. Ich lief am Rand des Ackers lang und stellte mich dorthin, wo Elmar auf dem Rückweg seine Schleife ziehen würde. Elmar sah mich und winkte. Langsam pflügte er auf mich zu. Als ich da stand und wartete, wurde mir erst bewußt, wie unglaublich groß die hinteren Räder des Treckers waren, noch deutlich größer als die von dem Bauern, der heute versucht hatte, mein Auto ’an die Seite zu setzen.’ Elmars Räder waren größer als ich selbst und wirkten ziemlich beängstigend.
»Kann ich dich einen Moment sprechen?«, brüllte ich, als er nah genug herangekommen war und seinen Hörschutz abgenommen hatte. Elmar verstand mich erst im zweiten Anlauf.
»Ich hab die Zeit im Nacken!«, brüllte er schließlich zurück. »Kannst du nicht eine Schleife mitfahren?« Als er meinen fragenden Blick sah, zeigte er auf den seitlichen Sitz, auf dem ich Platz nehmen sollte. Ich ging die paar Schritte zu ihm hin, matschte mir in der Zeit meine Schuhe vollkommen mit der übel riechenden Masse ein und kletterte dann etwas schwerfällig die zwei Stufen hinauf.
»Nicht gerade ein Luxussitz«, meinte Elmar, als ich mich an ihm vorbeiquetschte und meine langen Beine mühselig verstaute, »aber du willst ja so auch nicht in Urlaub fahren.«
Ich mußte mich erst an das Fahrgefühl gewöhnen. Das Gefährt ruckelte ziemlich, und man saß ausgesprochen hoch.
»Wie geht’s Alexa?«, brüllte Elmar.
»Keine Ahnung!«, brüllte ich zurück.
Elmar sah
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