Bauernsalat
mich fragend an. »Habt ihr etwa Ärger?«
»Ich glaube schon.«
Elmar merkte, daß ich nicht länger darüber sprechen wollte. »Steinschulte hat schon wieder angerufen«, meinte er dann. »Er hat mich nach dieser Magd gefragt, die angeblich hier gearbeitet haben soll.«
»Und was hast du ihm gesagt?«
»Dasselbe wie euch. Ich weiß nichts darüber! Ich bin schließlich kein Nachkriegskind, sondern noch jünger als du.«
»Danke für den Hinweis«, murmelte ich. Dann brüllte ich wieder: »Weißt du eigentlich gar nichts über den Krieg? Ich meine, wie es hier auf dem Hof bei euch so gewesen ist.«
»Mein Onkel war nicht gerade ein begeisterter Geschichtenerzähler«, schrie Elmar zurück. »Aber es ist interessant, daß du fragst. Er hat nämlich vor kurzem öfter damit angefangen.«
»Womit angefangen?«
»Na, mit solchen Kriegssachen. Ich glaube, es begann, als mal ein Bericht über Beutekunst im Fernsehen lief. Du weißt schon: Sachen, die im Krieg verschleppt worden sind und die jetzt zurückgegeben werden oder auch nicht.«
»Was hat dein Onkel dazu gesagt?«
»Er an seiner Stelle würde die Sachen auch nicht zurückgeben.«
»Aber das war nicht mehr als seine Meinung«, erwiderte ich enttäuscht.
»Nicht ganz. Mama sagte dann, wenn er solche Schätze hätte, bräuchte er eh nicht mehr jeden Tag in den Stall.«
»Und dann?«
»Dann sagte mein Onkel, er habe seine Geschäfte schon gemacht, da brauche sie sich mal gar keine Sorgen machen. Und er würde gar nichts zurückgeben, auch wenn sich das jemand einbildete.«
»Was hat er denn damit gemeint?«
»Das hat meine Mutter auch gefragt. Aber er hat nichts weiter dazu gesagt. Jedenfalls nicht an dem Tag.«
»Und später?«
»Ein anderes Mal hat er gesagt, es gebe Leute, die könnten die Vergangenheit nicht ruhen lassen. Aber er ließe sich nicht unter Druck setzen, auf gar keinen Fall. Was im Krieg gelaufen wär, das wär vorbei. Fertig aus.«
»Warum erzählst du das erst jetzt?«
»Weil mich vorher nie einer danach gefragt hat. Ich hielt es für das übliche Geschwätz meines Onkels. Er mußte ja zu allem seinen Senf dazugeben. Warum dann nicht auch über Beutekunst und Kriegsverarbeitung und sonst was? Meinst du, es hat irgendeine Bedeutung?«
»Keine Ahnung. Im Moment kann ich nicht viel damit anfangen.«
»Sag ich doch!« Elmar wendete am Ende des Ackers den Pflug.
»Wo ist eigentlich deine Mutter?«
»Sie wollte einkaufen. Aber das ist schon eine Weile her.«
»Ist sie öfter so lange weg?«
Elmar blickte mich verdutzt an. »Was soll denn die Frage? Meine Mutter ist doch nicht mein Hund. Sie kann doch hingehen, wohin sie will, und braucht sich nicht bei mir abzumelden.«
»Klar, war auch nur so eine Frage.«
Dann schwiegen wir eine Weile.
»Hast du dich eigentlich entschieden?« nahm ich irgendwann das Gespräch wieder auf. »Ich meine, was den Hof angeht«
Elmar blickte starr geradeaus. »Ich kann hier nicht weg«, sagte er dann. »Ich kann mir nicht vorstellen, den Hof einfach liegen zu lassen.« Als ich nichts erwiderte, blickte Elmar mich an. »Ein Außenstehender kann das vielleicht nicht verstehen«, meinte er fast entschuldigend. »Ein Außenstehender denkt vielleicht: Warum das alles? Siebzig Stunden arbeiten bei geringem Ertrag. Noch dazu macht das kaum eine Frau mit. Immer morgens früh raus. Fast nie in Urlaub. Warum das alles?«
»Dann erkläre es mir!«, brüllte ich. »Warum das alles?«
Elmar zögerte einen Augenblick, bevor er antwortete. »Weil einen das ganz schön glücklich macht Entscheidungen selber treffen, draußen an der Luft sein, die Äcker bearbeiten, die schon mein Urgroßvater beackert hat, etwas wachsen sehen. Das macht einen glücklich. Verstehst du das?« Ich sah in Elmars Gesicht, das voller Überzeugungskraft war. Und ich sah das Gesicht des schrulligen Frontlader-Bauern vor mir.
»Das kann ich verstehen«, sagte ich dann. Und ich meinte es ernst.
Dann schwiegen wir wieder.
»Willst du hinten absteigen?« Ich nickte zustimmend. Mein Geruchssinn war inzwischen völlig betäubt. Außerdem war ich heiser von der Brüllerei.
»Bestell Alexa schöne Grüße!«, schrie Elmar, als ich in den Matsch sprang. »Falls du sie mal siehst!«
Griesgrämig verzog ich den Mund und watschte auf das Gras am Rande des Ackers. Unter meinen Füßen klebten ganze Kubikmeter lehmigen Stinkebodens. So langsam wurde mir die Verbundenheit des Bauern mit der Scholle sprichwörtlich klar.
34
Als ich zu meinem
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