Baustelle Demokratie
Zuwanderungsgesellschaft ist, ist ein wichtiger Faktor für bürgerschaftliches Engagement. Einerseits erschafft sie jene Vielfalt und Heterogenität, auf die eine lebendige Bürgergesellschaft angewiesen ist. Andererseits sorgt sie für neue Wege und neue Modelle gesellschaftlicher Integration. Denn Integration betrifft ja nicht nur die Integration von Zuwanderern und ihren Familien in die deutsche Gesellschaft. Integriert werden müssen auch alle, die aufgrund sozialer oder sonstiger Benachteiligungen (Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen, Erwerbslose) von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind. Insofern liegt in der Integrationsproblematik eine Schlüsselfrage für die Entwicklung der sozialen Demokratie. Demokratie kann auf Dauer nur als ein inklusives Projekt bestehen. Sie lebt davon, dass allen Menschen unabhängig von Herkunft und sozialem Status die gleichen Rechte auf Teilhabe an politischen Rechten und materiellem Wohlstand zustehen. Abgesehen davon, dass wir davon auch in Deutschland noch sehr weit entfernt sind, muss das der Maßstab für die Weiterentwicklung der Demokratie und damit auch der sie tragenden Bürgergesellschaft sein.
Das fängt bei den rechtlichen Rahmenbedingungen für Zuwanderer an. Die derzeitige Rechtslage behindert eindeutig gesellschaftliche Integration und damit auch bürgerschaftliches Engagement von Zuwanderern. Junge Erwachsene aus Zuwandererfamilien müssen sich bis zum 21. Lebensjahr endgültig entscheiden, welche Staatsangehörigkeit sie annehmen wollen. Da eine doppelte Staatsbürgerschaft (übrigens nur für ausgewählte Nationalitäten: Araber, Türken usw.) nicht erlaubt ist, werden sie in einen völlig unnötigen und integrationshemmenden Identitätskonflikt gestürzt. Hier regiert altes Denken, das davon ausgeht, dass die Welt eindeutig nach Nationalitäten sortiert werden muss. Warum eigentlich?
Es ließen sich noch weitere rechtliche Hemmnisse für Integration aufzählen: So gibt es in Deutschland bis heute kein kommunales Wahlrecht für Ausländer. Oder genauer: Es gibt kein kommunales Wahlrecht für Ausländer, die nicht einem Staat der Europäischen Union angehören. Dieser Umstand führt in manchen Kommunen zu absurden Situationen. In Städten und Stadtteilen im Ruhrgebiet, in Berlin und anderswo, in denen der Anteil von Ausländern an der Bevölkerung 30, 40 oder mehr Prozent beträgt, stellt sich die Frage der Legitimation von Wahlergebnissen, wenn die Hälfte der Menschen in kommunalen Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, kein politisches Mitbestimmungsrecht hat. Dass dies ein Hindernis für bürgerschaftliches Engagement ist, leuchtet unmittelbar ein.
Bei der Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements von und für Zuwanderer gibt es zwar einige Fortschritte. So wurde dieses Thema sowohl im Nationalen Integrationsplan der Bundesregierung (Bundesregierung 2007) als auch im Nationalen Forum für Engagement und Partizipation aufgegriffen (BBE 2009, 117ff.). Doch bis zu einer flächendeckenden Einsicht, dass ein Fünftel der Bevölkerung auch rein quantitativ eine »kritische Masse« für die Zukunft der Demokratie ausmacht, ist es noch ein weiter Weg. In der öffentlichen Wahrnehmung der Talkshows und Boulevardmedien wird weiterhin im Dienst der »Quote« ein Zerrbild der gesellschaftlichen Wirklichkeit gezeichnet.
Web 2.0 und die Folgen
Bleiben wir beim öffentlichen Diskurs: Angesichts der heutigen Medienlandschaft, oder besser der dort etablierten Kultur der öffentlichen Kommunikation, wächst sofort das Bedürfnis, in den Chor der Kulturkritiker und Apologeten des Zerfalls einzustimmen. Das Niveau in Berichterstattung und Kommentar ist oft so niedrig, dass zumindest sensible Menschen nur »leidend« vor dem Bildschirm zu sitzen oder Zeitung zu lesen vermögen – von der quantitativ ins schier Unendliche gesteigerten Zahl der Angebote im Internet einmal ganz abgesehen. Wir leben in einer Zeit des Sinn- und Silbenflitters, in der es schwer geworden ist, Orientierung zu erlangen und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden – dies nicht, weil das menschliche Urteilsvermögen heute schlechter ausgebildet wäre als zu anderen Zeiten, sondern weil die Menge an sinnfreien Kommunikationspartikeln im Zeitalter der elektronischen Kommunikation einfach ungeheure Ausmaße angenommen hat. Zugegeben: Im Grunde ist es langweilig und unoriginell, in den Chor der Kritiker einzustimmen, wenngleich eine erneute Auseinandersetzung mit den
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