Baustelle Demokratie
Bürgergesellschaft auf den Punkt gebracht wird. Die staatliche Förderung der Bürgergesellschaft und des Engagements wird nämlich damit begründet, dass die Engagierten etwas leisten, was ansonsten der Staat selber erledigen müsste. Das Engagement wird also deshalb gefördert, weil sich damit öffentliche Mittel einsparen lassen. Damit folgt die Begründung für die Förderung von bürgerschaftlichem Engagement den Prämissen einer liberalen Bürgergesellschaft, die weiter oben bereits dargestellt wurden: Wo bürgerschaftliches Engagement staatliche Aufgaben übernimmt, da darf der Staat fördern – aber dies nur vor dem Hintergrund, dass er sich selbst zurückziehen kann. Der Idee einer wechselseitigen Ergänzung von staatlichem und bürgerschaftlichem Handeln kommt man so nicht näher, da der Gedanke der Bürgergesellschaft als Dienstleister für öffentliche Aufgaben dominiert.
»Gemeinnützig« bedeutet dagegen, dass ein bestimmtes Handeln im Interesse der Allgemeinheit liegt – nicht unbedingt im Interesse des Staates, das ja oft genug auf Haushaltseinsparungen und bürokratische Kontrolle, nicht aber auf Emanzipation und gesellschaftlichen Fortschritt gerichtet ist. Insofern sollte das Gemeinnützigkeitsrecht nicht darauf zielen, die Bürgergesellschaft da zu fördern, wo sie staatliche Aufgaben übernimmt. Das kann, wie bei den professionalisierten Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege, zwar auch der Fall sein. Doch muss die eigentliche Begründung für die Förderung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten anders lauten: Das Engagement soll vor allem dort gefördert werden, wo es komplementär zum Staat Aufgaben übernimmt, die der Staat selbst gar nicht zu leisten im Stande ist, die aber in hohem Maße integrativ wirken. Öffentliche Daseinsvorsorge kann und soll nur der Staat leisten – ein öffentliches Gemeinwesen mit Leben und dem »Wärmestrom« des Engagements zu erfüllen, das kann und sollte nur die Bürgergesellschaft leisten. Genau das ist ihr Beitrag zum Gemeinwohl, genau deshalb ist ihr Handeln gemeinnützig.
Die jüngste Reform des Gemeinnützigkeitsrechts aus dem Jahr 2007 hat an der herrschenden definitorischen Grundschiefe nichts geändert. Im Gegenteil: In einem begleitenden Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium wurde der Ansatz, dass der Staat das Engagement nur dort durch den Gemeinnützigkeitsstatus (d.h. mittels Steuerbefreiung) fördern solle, wo es ihm die Bereitstellung öffentlicher Güter abnimmt, noch einmal unterstrichen (Bundesfinanzministerium 2006). Abgesehen davon, dass es bei der Reform in einigen Details geringfügige Änderungen gab, blieb das definitorische Grundproblem unangetastet.
An dem einzigen Punkt indes, an dem die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts von 2007 tatsächlich etwas verändert hätte, wurde diese Veränderung von der Ministerialbürokratie anschließend ausgebremst: In § 52 AO ist geregelt, welche Vereinszwecke gemeinnützig und daher aus der Sicht des Staates förderungswürdig sind (Bundesjustizministerium 1977). In die Liste der dort aufgeführten Zwecke wurde nach einem Beschluss des Bundestages vom 6. Juli 2007 der Punkt »Förderung des bürgerschaftlichen Engagements« eingefügt. Das hätte bedeutet, dass auch Vereine oder Organisationen, deren Zweck in der Förderung einer aktiven Bürgergesellschaft besteht, steuerlich begünstigt werden und Gemeinnützigkeitsstatus erlangen können. Der Staat hätte damit anerkannt, dass bürgerschaftliche Impulse für das demokratische Gemeinwesen tatsächlich wichtig sind – dies zum Beispiel besonders dort, wo es darum geht, Menschen aus benachteiligten sozialen Milieus zum Engagement zu ermutigen und zu befähigen. Doch so viel avancierte Förderung der Bürgergesellschaft ging der Exekutive zu weit. In einem Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) an die Finanzämter, die für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit zuständig sind, wurde angewiesen, dass die Ergänzung von § 52 AO durch den Zweck »Förderung des bürgerschaftlichen Engagements« lediglich eine ideelle Ergänzung, aber kein Grund zur Änderung der Anerkennungspraxis sei. Für demokratische Gemüter mag es zwar unfassbar scheinen, wie die Verwaltung sich über Parlamentsbeschlüsse hinwegsetzt – aber faktisch kann sie es! Immerhin ist mit dieser von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkten Aufweichung der Gewaltenteilung – die Exekutive »interpretiert«
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