Baustelle Demokratie
Parlamentsbeschlüsse – ganz gut die Strecke markiert worden, die bis zu einem adäquaten Verständnis von Bürgergesellschaft noch zu absolvieren ist.
Noch schlechter stand es in den letzten Jahren um die Bemühungen zur Reform des Zuwendungsrechts. Im Zuwendungsrecht wird das Verhältnis zwischen Staat und Bürgergesellschaft geregelt, insofern es um die Förderung von Projekten oder zivilgesellschaftlichen Organisationen geht. Dabei tauchen allerlei Skurrilitäten auf, angefangen bei den terminologischen Fragen: Im Zuwendungsrecht erklärt sich die öffentliche Hand zum »Zuwendungsgeber«, dem auf der Seite der Bürgergesellschaft »Zuwendungsempfänger« gegenüberstehen. In diesem Sprachbild lebt die Vorstellung von »Vater Staat« fort, der seine Kinder in fürsorglicher, aber paternalistischer Umarmung protegiert und kontrolliert. Solche Stilblüten, die indes sehr entlarvend sind, finden sich (nicht nur) im Zuwendungsrecht viele. Eine sei noch herausgegriffen: Wird einem Verein oder einer anderen »förderfähigen« Organisation ein Projekt auf der Basis eines entsprechenden Antrags bewilligt, erhält sie mit dem »Zuwendungsbescheid« die sogenannten »ANBestP«, die »Allgemeinen Nebenbestimmungen für Projektförderung«. Diese Bestimmungen regeln auf eng bedrucktem Papier in rechtsfestem, aber schwer verständlichem Amtsdeutsch, wie der »Zuwendungsempfänger« die bereitgestellten Mittel beim zuständigen Bundesverwaltungsamt abrufen, verwenden und am Ende abrechnen muss. Außerdem sind dort die Haftungs- und Säumnisbedingungen beschrieben, was die »ANBestP« zu einem zentralen Dokument für jedes Projekt macht. Doch schon die Bezeichnung »Nebenbestimmungen« führt dazu, dass die »ANBestP« vor allem von nichtprofessionellen »Zuwendungsempfängern« einfach abgeheftet werden, mit dem Effekt, dass in zuwendungsrechtlichen Fragen – wie ein versierter Fachmann einmal treffend formuliert hat – zu 70 Prozent »graue Schafe« (neben 10 Prozent schwarzen und 20 Prozent weißen Schafen) herumlaufen.
Seit Jahren wird aus dem Feld der Bürgergesellschaft gefordert, die »ANBestP« zu entbürokratisieren, verständlicher zu machen und auch umzubenennen. Doch schon eine solch einfache Forderung stößt in den zuständigen Behörden (BMF und Bundesrechnungshof) ebenfalls seit Jahren auf Unverständnis und taube Ohren. Dahinter verbirgt sich ein institutionalisiertes Misstrauen des Staates gegenüber der Bürgergesellschaft. Der »Zuwendungsempfänger« wird mehr oder weniger latent des Missbrauchs von Steuergeldern verdächtigt. Eine Kultur der Kontrolle und des Argwohns beherrscht die Akteure (vgl. Bode 2010). Dass es auf dieser Basis kein gedeihliches und vor allem konstruktives und gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Staat und Bürgergesellschaft geben kann, leuchtet ein. Doch die Exekutive beharrt auf zuwendungsrechtlichen Regelungen, die das Engagement eher behindern als fördern und ermöglichen.
Ohne allzu sehr ins Detail gehen zu wollen, sei hier ein weiteres Beispiel genannt (vgl. auch BBE 2010a, 24ff.). Dabei geht es um die Begriffe »Fehlbedarfsfinanzierung« und »Festbetragsfinanzierung«. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Angenommen, Sie würden sich in einem sozialen Projekt zur Förderung benachteiligter Jugendlicher engagieren und hätten dafür etwa beim Bundesfamilienministerium einen Antrag auf Projektförderung gestellt. Ihr Antrag wird bewilligt, und Sie erhalten einen Betrag von 50.000 Euro für die Durchführung Ihres Projekts. Nun treffen Sie einen Unternehmer, der von Ihrem Vorhaben beeindruckt ist und es ebenfalls mit, sagen wir, 10.000 Euro fördern will. Wie viel Geld haben Sie nun? Wenn Sie denken, Sie hätten jetzt 60.000 Euro, liegen Sie falsch. Die Idee der »Fehlbedarfsfinanzierung« sieht vor, dass jeder Euro, den man zusätzlich akquiriert, von der öffentlichen Förderung abgezogen wird. 50.000 plus 10.000 sind also 50.000!
Die Folge dieser Praxis ist offensichtlich: Der Anreiz, systematisches oder gar professionelles Fundraising zu betreiben, liegt bei null. Das führt wiederum zu einer bedenklichen Abhängigkeit der bürgerschaftlichen Tätigkeiten von der öffentlichen Hand. Engagementförderung nach Kassenlage und eine bis auf die Arbeitsebene von Projekten durchgreifende Kontrolle der Bürgergesellschaft durch die staatliche Verwaltung sind die Folgen – abgesehen von einer mittlerweile unübersehbaren »Landschaft« von Projektruinen nach
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