Baustelle Demokratie
unerreichbar. Es ist aber zugleich auch mit Händen greifbar. Denn immer mehr Menschen sind empört über die Herrschaft der angeblichen Sachzwänge, über schreiende Ungerechtigkeit als Resultat marktradikaler Politik, über ökologische Sünden im Dienste des Profits. Ihre Empörung braucht Übersetzung in positive Energie und in Engagement für eine bessere Welt. Die Bürgergesellschaft in der Vielfalt ihrer Erscheinungen bietet unüberschaubar viele Möglichkeiten genau dafür!
Aus diesem Blickwinkel gilt es die folgenden Perspektiven für die Zukunft des Engagements zu entwickeln. Wenn die »Baustelle Demokratie« tatsächlich ein renoviertes und zukunftstaugliches Gebäude hinterlassen soll, dann muss man die zivilgesellschaftliche Sphäre endlich in ihr Recht setzen. Die Bürgergesellschaft kann zu einer revolutionären Kraft in dem Sinne werden, dass sich endlich die Belange von Menschen in ihrem Alltag gegen politische Zumutungen und ökonomische Umklammerung durchsetzen.
Bürgerschaftliches Engagement
Wie Engagementpolitik nicht funktioniert, hat uns die Engagementstrategie der Bundesregierung deutlich gemacht. Einem Lehrstück gleich setzte sie im negativen Sinn Maßstäbe. Aber welche Alternativen folgen daraus? Viele, sehr viele! Denn aus der Bürgergesellschaft selbst kommen seit Jahren zahlreiche Impulse und Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement. Man müsste nur hinhören und sich darauf einlassen.
Aus der Vielfalt der Ansätze sollen hier einige wenige aufgegriffen werden, nicht zuletzt um sich der Relevanz des Themas bewusster zu werden. Zu den wichtigen Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement gehört das Gemeinnützigkeitsrecht beziehungsweise die Frage, was eigentlich sinnvollerweise unter Gemeinnützigkeit zu verstehen ist. Die These lautet dabei: Engagement soll nicht gefördert werden, weil es den Staat entlastet, sondern weil es zur gesellschaftlichen Integration beiträgt (a). Darüber hinaus müssen – zweite wichtige Rahmenbedingung – tragfähige und dauerhafte Finanzierungsstrukturen geschaffen werden. Bürgerschaftliches Engagement kostet Geld, auch wenn die Engagierten selbst entgeltlos tätig sind; daher bedarf es einer guten Träger- und Infrastruktur für das Engagement vor Ort (b). Schließlich muss das Engagement – dritter Komplex der Rahmenbedingungen – in engem Zusammenhang mit der Frage der sozialen Bürgerrechte verortet werden. Die soziale Frage steckt auch in der Engagementförderung, Engagementpolitik ist richtig verstanden auch Sozialpolitik. Das soll hier exemplarisch am Zusammenhang von bürgerschaftlichem Engagement und Erwerbsarbeit thematisiert werden.
a) Eine neue Vertrauenskultur – Gemeinnützigkeits- und Zuwendungsrecht, Stiftungen
Es versteht sich keineswegs von selbst, dass es in Deutschland so etwas wie ein Gemeinnützigkeitsrecht gibt. In Russland beispielsweise ist ein solches Rechtsinstitut unbekannt. Dort werden gemeinnützige Organisationen genauso behandelt wie Unternehmen. Sie genießen keine Steuervorteile, und Spenden werden dementsprechend nicht steuermindernd anerkannt (vgl. Lang / Härtel / Bürsch 2010). Die Anerkennung des gesellschaftlichen Engagements durch den Staat und seine Förderung durch das Steuerrecht ist eine historische Errungenschaft. Umso mehr lohnt sich ein Blick auf Gemeinnützigkeitsfragen, denn an ihnen entscheidet sich, was dem demokratischen Staat das Engagement seiner Bürger wert ist.
Das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht ist nicht in einem eigenen Gesetz oder gar Gesetzbuch festgehalten. Stattdessen beziehen sich insgesamt 18 Paragraphen der Abgabenordnung des Bundes (§§ 51–68 AO) auf gesetzliche Regelungen zur Steuerbegünstigung für gemeinnützige Organisationen oder Projekte. Die Gesetze, bei denen gemeinnützige oder, wie der Fachterminus lautet, »mildtätige« Zwecke eine Rolle spielen und auf die sich die Abgabenordnung bezieht, betreffen Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Schenkungssteuer und Grundsteuer (vgl. Ernst-Pörksen 2006, 12). Ohne hier den komplizierten Verästelungen des Gemeinnützigkeitsrechts auch nur ansatzweise folgen zu können (eine wahrhaft meisterliche Expertise findet sich in Ernst-Pörksen 2006), sei der Blick lediglich auf eine bis heute offene Grundsatzfrage des Gemeinnützigkeitsrechts gerichtet.
Denn hier liegt ein zentrales Problem, durch welches das Verhältnis des Staates zur
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