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Baustelle Demokratie

Baustelle Demokratie

Titel: Baustelle Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serge Embacher
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Auslauf der meist auf drei Jahre befristeten staatlichen Förderung. Von Eigenständigkeit des bürgerschaftlichen Engagements gegenüber dem Staat kann hier nicht die Rede sein. Ein einfacher Reformvorschlag, der diese Situation beenden würde, sieht die Umstellung der Projektförderung von der »Fehlbedarfsfinanzierung« zu einer »Festbetragsfinanzierung« vor, bei der für bürgergesellschaftliche Projekte ein fixer Betrag an staatlicher Förderung ausgereicht würde. Die so Geförderten hätten dann die Möglichkeit, durch Akquise weiterer Mittel zu einer Mixfinanzierung und damit auch zu größerer Unabhängigkeit zu gelangen.
    Nach den bereits geschilderten Verhaltensweisen der Exekutive im Bund dürfte es an dieser Stelle eigentlich niemanden mehr verwundern, dass auch dieser Reformvorschlag zurückgewiesen wurde. Das Argument lautet diesmal, dass der Staat auf die sparsame Verwendung von Steuergeldern zu achten habe und es daher vollkommen plausibel sei, dass von der öffentlichen Förderung genau der Betrag abgezogen werden könne, der anderweitig akquiriert wird. Fragt sich nur, ob dieses Argument nicht zu kurz greift, da es den Status quo einer faktisch gegebenen und im Endeffekt für die öffentliche Hand sehr kostspieligen Abhängigkeit der Bürgergesellschaft vom Staat zementiert. Insgesamt käme es, wie schon beim Gemeinnützigkeitsrecht, darauf an, eine neue Vertrauenskultur zwischen Staat und Bürgergesellschaft zu entwickeln. Dazu bedürfte es entsprechender Signale des Staates, die beispielsweise mit einer Reform des Zuwendungsrechts gegeben werden könnten. Solche zunächst bürokratisch anmutenden Details machen die große Herausforderung deutlich, der Bürgergesellschaft zu einer zentralen Position zu verhelfen.
    Die gemeinnützigen Stiftungen in Deutschland blicken auf eine jahrhundertealte Tradition zurück (vgl. zum Folgenden Embacher / Lang 2008, 48ff.). Ihre Tätigkeitsfelder lagen lange Zeit vor allem im Bereich sozialer und karitativer Zwecke. Neben der Kirche wurde historisch gesehen das Bürgertum zur wichtigsten Gruppe von Stiftern. Das 19. Jahrhundert erlebte einen wahren Stiftungsboom. Im Zuge der Industrialisierung und der damit verbundenen sozialen Probleme bildete sich in großen Unternehmen wie Krupp, Bosch und Thyssen ein auf Stiftungen gegründetes soziales Engagement für die Verbesserung der Lebensbedingungen für Arme und Schwache heraus. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Deutschland rund 100.000 Stiftungen. Aufgrund der beiden Weltkriege und tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Verwerfungen konnte diese Zahl bis heute nicht wieder erreicht werden. Doch ist in den letzten Jahren ein starker Zuwachs zu beobachten. Vor allem seit der Reform des Stiftungsrechts unter der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 hat sich die Zahl der Stiftungen mittlerweile auf rund 18.000 erhöht.
    Die meisten Stiftungen in Deutschland verfügen über ein geringes Kapital. Nur rund 850 Stiftungen disponieren jeweils ein Vermögen von über zweieinhalb Millionen Euro. Das Vermögen der meisten Stiftungen liegt hingegen unter 500.000 Euro. Dementsprechend gering sind in der Regel auch die Fördersummen, die aus Stiftungskapital für bürgergesellschaftliche Projekte und Aktivitäten ausgeschüttet werden können. Damit können Stiftungen in Deutschland keinen relevanten Anteil zur Finanzierung des Gemeinwohls in Deutschland leisten. Man schätzt, dass die Beiträge aller Stiftungen zusammen gerade einmal ein Prozent der staatlichen Aufwendungen ausmachen. Hier zeigt sich, wie absurd die Vorstellung mancher staatlicher Akteure ist, durch die Kooperation mit Stiftungen nennenswerte Leistungen der öffentlichen Hand einsparen zu können. Dies kann auch nicht die Aufgabe von Stiftungen sein. Dagegen stehen sie im besten Sinne für den bürgerschaftlichen Willen, privates Vermögen für das Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen und damit der Gesellschaft im Gegenzug für erhaltene Chancen und Möglichkeiten etwas zurückzugeben. Eine echte Kultur des Stiftens konnte sich allerdings in Deutschland – im Gegensatz etwa zu den USA, wo Stiftungen Hauptträger der Bürgergesellschaft sind – bislang nicht wieder etablieren.
    Auch hierzulande ist gelegentlich der Ruf nach einer Ausweitung der Stiftungsaktivitäten nach amerikanischem Vorbild zu vernehmen. Doch ist dieser gut gemeinte Ruf durchaus problematisch. Das besondere Moment der Bürgergesellschaft besteht ja gerade darin,

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