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Baustelle Demokratie

Baustelle Demokratie

Titel: Baustelle Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serge Embacher
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dass sie neben dem freiwilligen Einsatz von Arbeitskraft und finanziellen Mitteln einen partizipatorischen und gesellschaftspolitischen Anspruch verkörpert. Bürgerschaftliches Engagement bedeutet neben der Arbeit in konkreten Handlungsfeldern auch den Einsatz für eine Veränderung politischer Strukturen. Der Einsatz von sehr viel privatem Geld in Feldern wie Hungerhilfe oder Klimaschutz kann – bei allem Nutzen, den er mit sich bringen mag – für die demokratische Qualität der Bürgergesellschaft auch schädlich sein. Die »Giving Pledge«-Bewegung amerikanischer Milliardäre ist durchaus mit Vorsicht zu genießen, da Stiftertätigkeit allein durch die gestifteten Summen eine große politische Dimension erreicht. Stiftungen können und sollten aber politisches Handeln nicht ersetzen.
    Die »Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung« ernennt Stiftungen hingegen zu »Premiumpartnern« der staatlichen Engagementpolitik (vgl. zum Folgenden Sandberg 2011a und 2011b) und lobt ihr Engagement im Feld der Bürgergesellschaft in den höchsten Tönen. Mit ihnen will die Bundesregierung privilegierte Partnerschaften eingehen. Abgesehen vom verschwindend geringen Anteil der Stiftungen an der Finanzierung bürgergesellschaftlicher Strukturen, verfolgt die Regierung mit ihrer Strategie eine falsche Linie, weil sie vorgibt, Stiftungen seien neben Unternehmen die einzig relevanten Partner für eine Engagementstrategie. Damit werden sie quasi in den Rang von vertretungsberechtigten Akteuren der Bürgergesellschaft gehoben. Die in den letzten Jahren entstandenen Vernetzungsstrukturen auf Bundesebene und das Engagement der organisierten Zivilgesellschaft für eine strategische Förderung des bürgerschaftlichen Engagements kommen in dieser Perspektive kaum noch vor.
    Zwar ist nichts gegen das Engagement von Stiftungen als bürgergesellschaftlichen Akteuren einzuwenden. Man sollte aber immer im Auge behalten, dass sie nicht in erster Linie öffentlichen Zwecken dienen, sondern einem privaten Stifterwillen entsprechen. Dieser kann natürlich gemeinwohlorientiert sein, doch ist er nicht Gegenstand einer öffentlichen Debatte, sondern in einer Satzung festgelegt und als solcher eben privat. Stiftungen sind »private Regierungen« (Sandberg 2011b, 6f.) und handeln vorrangig in privatem Interesse, wie aufgeklärt dieses auch immer sein mag. Sie erfüllen in der Regel nicht die Standards demokratischer Mitbestimmung, was die Ausrichtung ihrer Aktivitäten angeht. Das müssen sie als private Organisationen auch gar nicht. Man darf ihr Handeln aber genau deshalb nicht mit der aufs gesamtgesellschaftliche Gemeinwohl verpflichteten Politik der öffentlichen Hand gleichsetzen.
    Will man Stiftungen ernsthaft zu einem festen Bestandteil der Bürgergesellschaft machen und die Qualität und Wirkung ihrer Arbeit verbessern, bedarf es vor allem größerer Klarheit gegenüber der Öffentlichkeit. Die Prinzipien der Bürgergesellschaft – Offenheit, Transparenz, Partizipation – müssen auch für Stiftungen zum Leitmotiv werden. Solange sie eher durch zwar anerkennenswerte, aber »undurchsichtige« Aktivitäten wirken, bleiben sie vielen Engagierten eher suspekt. Die Rolle von Stiftungen in einer neuen Kultur des Vertrauens bestünde also vor allem darin, konzise und vorhersehbare Förderstrukturen zu schaffen und diese kooperativ mit den bürgerschaftlichen Akteuren »im Feld« zu erarbeiten. Vor allem operativ tätige private Stiftungen könnten dazu beitragen, dass Projekte und Förderstrategien unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation vor Ort auf den Weg gebracht werden. Bislang richten sich Förderaktivitäten noch allzu stark an der Konjunkturkurve von Einzelthemen aus: Ist gerade Leseförderung en vogue, unterstützt man Vorleseinitiativen. Richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit dann auf andere Themen (Ältere, Menschen mit Behinderungen, benachteiligte Jugendliche, lokaler Umweltschutz usw.), setzt man auf Projekte mit diesen Schwerpunkten. Sinnvoller wäre eine Orientierung an integrativen Förderstrukturen, welche die Gemeinwesenentwicklung im Ganzen vor Augen haben. Das Engagement von operativen Stiftungen in solchen themenübergreifenden Zusammenhängen – man denke etwa an Formate wie »Community Organizing« (vgl. Penta 2007) oder die Idee der »Sozialen Stadt« – würde die Gemeinwohlorientierung von Stiftungen authentischer und auch klarer machen. Mit solchen integrativen Strategien könnten sie das

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