Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
unwiderruflich an diesen Punkt geführt hatten. Doch der Verzicht auf die Verantwortung, diese Seuche mit Namen Mensch auszurotten, konnte das Volk in esLis Augen nur idju machen. Aber die Menschheit war nicht vernichtet worden, sondern sie erhob sich wieder und wieder, und nun hatte sie sogar den legendären es- Hu ’ur hervorgebracht.
Es machte das Volk für eine Kapitulation idju, sogar gegenüber esHu ’ur. Aber war das Volk nicht längst hi’idju, dass es überhaupt geschlagen werden konnte? War es nicht besser, der Sache nun ein Ende zu setzen und eine ganze Spezies das Todesritual vollziehen zu lassen, anstatt noch länger Schande ertragen zu müssen?
Doch ein Mysterium blieb weiterhin ungeklärt. Im Traum hatte esGa ’u von der Vernichtung des Volks durch die Klauen der Dunklen Schwinge gesprochen. Aber der Admiral der Menschen hatte sich selbst als die Helle Schwinge bezeichnet, obwohl sein Handeln ihn eindeutig zur Dunklen Schwinge machte.
Konnte es sein, dass er dennoch die Dunkle Schwinge war?
Oder dass er sie vielleicht auch war?
Die Dunkle Schwinge versprach ein Ende, den ewigen Schlaf der ehrbaren Toten. Die Helle Schwinge dagegen versprach Leben und fortgesetzte Ergebenheit gegenüber esLi, eine Chance auf Wiedergutmachung und Erneuerung. In der Literatur war von der »Verdammung zum Leben« die Rede gewesen. Anstatt das Todesritual zu erlauben, verdammte esLi den Helden dazu, weiter unter seinem Dasein zu leiden, weil er zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht einem bedeutenderen Zweck würde dienen können. Für einen Zor war es nicht schwer, sich als idju zu betrachten, doch es war an esLi, darüber zu entscheiden. Vielleicht hatte esLi ihm das im Traum sagen wollen.
»Die Nachricht Ihres verehrten Cousins ist komplett«, meldete sich eine Stimme aus dem Lautsprecher.
Der Hohe Lord berührte eine Vertiefung an der Wand, ein Bildschirm erwachte zum Leben und zeigte das Gesicht seines Cousins.
14. Kapitel
(Aus den Aufzeichnungen des Untersuchungsausschusses zur Schlacht von Pergamum, Flottenüberwachungsausschuss der Imperialen Versammlung, 23. April 2311)
MITGLIED AVIDRA PRAMURJIAN (Vorsitzende, New Chicago): Bitte beschreiben Sie dem Ausschuss, wie Sie zu dieser Schlussfolgerung gelangten.
ERSTER LORD DER ADMIRALITÄT: Gewiss, Vorsitzende. Wenn sich der Ausschuss bitte die Displays ansehen würde … [s. Video-Anhang 23U-PCI4291-12] Eine Analyse der Sprungechos der ursprünglich angreifenden Streitmacht bei Pergamum sowie der als Verstärkung eintreffenden Schiffe deutet auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt hin. Durch die Projektion dieser Vektoren wird – wie Sie sehen können – klar, dass sie zu keiner Zor-Basis auf der dem Imperium zugewandten Seite der Antares-Verwerfung passen. Ebenso stehen sie in keinem Zusammenhang mit einer Position der Innersten Sterne der Zor. Wir haben den Schluss gezogen, dass sie von einem Punkt innerhalb der Verwerfung aus gestartet sein müssen.
MITGLIED MIKHAIL SALEH (Denneva): Innerhalb der Verwerfung? Das ist doch unmöglich.
ERSTER LORD: Unsere Berechnungen zeigen, dass es zutrifft. Wenn Sie sich dieses Display ansehen …
MITGLIED SALEH: Aber die Verwerfung ist leer. Die Admiralität wird doch sicher nicht hinter dem Rücken des Ausschusses die Gesetze der Sprungphysik geändert haben. [Gelächter]
ERSTER LORD: Nein, Abgeordneter Saleh, dazu müssten wir erst die Erlaubnis des Imperators einholen. [Gelächter] Lassen Sie mich etwas klarstellen. Sie kennen das Konzept des Muir-Limits und dessen Wirkung auf die Fähigkeit eines Schiffs, in den Sprung zu gehen …
MITGLIED PRAMURJIAN (unterbricht ihn): Erster Lord, gestatten Sie. Vielleicht könnten Sie den Laien in diesem Ausschuss mit einer kurzen Erklärung aushelfen. Mir ist bewusst, dass Sie sich nicht für einen umfassenden Vortrag vorbereitet haben, aber ich bin mir sicher, dass ein grober Abriss eine wertvolle Hilfe wäre.
ERSTER LORD: Ich werde mein Bestes tun, Madam Vorsitzende. Das erste Diagramm, das in einem Einführungskurs zur Sprungphysik gezeigt wird, ist die Muir-Limit-Kurve. Sie stellt die Masse der Reichweite dieser Masse gegenüber und zeigt, wie Himmelskörper »Beulen« im Raum erzeugen, sowohl im realen als auch im Überlicht-Kontinuum.
MITGLIED SALEH: Erzeugen springende Schiffe nicht eine ähnliche Beule?
ERSTER LORD: Ja, das ist richtig, aber das ist nur ein momentanes Phänomen, und sobald das Schiff fort ist, verschwindet die Beule ebenfalls
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