Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
esHu’ur. Wir hatten geglaubt, esLi erwarte von uns, dass wir Ihr Volk auslöschen und das Universum – unser Universum – von der Verseuchung durch die Menschheit reinigen.« Die anderen Offiziere mussten unwillkürlich nach Luft schnappen, als sie das hörten, während Marais so gelassen blieb, wie es ihm unter den Umständen möglich war. »Ja, Admiral, Lord esHu’ur: Wir nahmen immer an, wir würden Sie letztlich schon besiegen. Ganz gleich, wie oft ein Krieger im Schatten der Dunklen Schwinge fiel, wir unternahmen einen weiteren Schritt hin zu Ihrer Niederlage. Wir hielten es niemals für möglich, dass eine Zeit kommen könnte, in der Sie über uns siegen würden.«
Hyos seufzte, was ihm etwas Menschliches gab und im Widerspruch zu seiner eigenen Fremdartigkeit und der dieser Umgebung stand. »Eine Niederlage wurde vom Volk immer ohne Probleme hingenommen. Eine Niederlage zu verwinden heißt, idju zu sein: So ist es immer gewesen.«
»Diesmal sind andere Verhältnisse am Werk, se Hyos.«
»Dem muss ich zustimmen, Lord esHu’ur. Wir können eine Niederlage nicht eingestehen, ohne gleichzeitig unsere Entehrung einzugestehen. Doch eine weitere Kralle dieses gleichen Arguments ist die unleugbare Wahrheit, dass es sinnlos ist, sich gegen das Unvermeidliche zur Wehr zu setzen. Ganz gleich, welch persönliche Ehre einer vom Volk besitzt, er weiß, er kann letztlich esHu’ur nicht besiegen. Vor der Dunklen Schwinge gibt es kein Entrinnen, weder jetzt noch später. Lange vor Ihrer Ankunft in dieser Basis wussten wir, wir haben nur zwei Möglichkeiten. Wir könnten uns gegen unsere unvermeidliche Niederlage zur Wehr setzen, oder wir stellen uns der Tatsache, hi’idju zu sein: idju als ganzes Volk.«
Auf Marais hatten diese Worte eine sichtlich schockierende Wirkung. Er musste sich zusammenreißen, ehe er fragte: »Und was wäre die Folge dieser Entehrung?«
»Diese Entscheidung würde nicht bei mir liegen, Lord esHu’ur. Der Hohe Lord hat ein besseres Verständnis dafür, wozu wir verpflichtet sind. Doch es besteht die Möglichkeit, dass es für diese Situation nur eine ehrbare Lösung gibt … wir würden unser Leben aufgeben.«
Marc Hudson beugte sich vor. »Ich bitte Sie um Verzeihung, Sir«, sagte er zu Hyos, dann sah er kurz zu Marais, »und Sie ebenfalls, Admiral. Aber ich muss das fragen: Wollen Sie damit sagen, Sie würden als Volk geschlossen Selbstmord begehen?«
»Wenn es die einzige Lösung wäre, ja.«
»Das ist für mich unvorstellbar, Sir. Ich kann einfach nicht glauben, dass eine intelligente Spezies sich lieber umbringt, anstatt ihren Glauben zu ändern. Sie konnten unsere Existenz nicht akzeptieren, und nun können Sie nicht akzeptieren, dass wir Sie besiegt haben. Anstatt mit dem Wissen zu leben, dass Sie geschlagen wurden, wollen Sie lieber allem ein Ende setzen, se Hyos, eine solche Verbohrtheit klingt für mich nicht nach einem Vorsprung in der Evolution.«
Der Zor versteifte sich, als er Marc reden hörte. Er verkrampfte die Krallen und konnte nicht verhindern, dass seine Augen die Wut widerspiegelten, die er verspürte.
»Es gibt keine andere Wahl, wenn wir zu dem Schluss kommen, dass es sich um die einzige Lösung handelt. Wenn der Hohe Lord es befiehlt … oder wenn esHu’ures befiehlt … dann wird das Volk seine Existenz beenden.«
»Ich würde niemals etwas Derartiges befehlen, se Hyos.«
»Und doch haben Sie es durch Ihr Handeln bereits getan, se Admiral. Sie sagen selbst: Wenn wir uns nicht der Dunklen Schwinge ergeben, werden wir ausgelöscht. Wo ist da der Unterschied? Mit der einen Schwinge befehlen Sie, dass wir durch die Krallen Ihrer Diener ausradiert werden, während Sie mit der anderen anordnen, dass wir durch unsere eigenen Mittel und Wege den Äußeren Frieden überwinden. So oder so würden wir am Ende nicht mehr existieren.«
Marais wusste darauf nichts zu sagen, daher wartete er einfach, bis der Zor-Kommandant fortfuhr.
»Eine Alternative zu unserem Ehrenkodex zu wählen, würde bedeuten, die Struktur unserer gesamten Gesellschaft zu zerstören. So etwas würde unseren Glauben ebenso unterhöhlen wie die Grundlagen unserer Gesellschaftsordnung. Der Himmel ist der Boden, der Boden ist der Himmel. Es gibt einige im Volk, die vielleicht niemals die Schmach einer Niederlage akzeptieren werden. Sie werden womöglich über Generationen hinweg kämpfen und sich zur Wehr setzen, bis sie ausgelöscht sind. Als wir diesen Krieg begannen, sagte man uns, esLi habe
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