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Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Titel: Bd. 1 - Die dunkle Schwinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter H. Hunt
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hinfällig. Es ist für mich immer entmutigend, wenn ich daran denke, dass dieser Krieg schon vor langer Zeit hätte geführt und gewonnen werden können.«
    »Was Stone angeht, Sir …«
    »Ja, Stone. Er war erst seit kurzem Offizier, und seine Dienstakte war noch so gut wie leer. Er hatte ein Empfehlungsschreiben vom Commodore der Station bei Mothallah, von einem Adligen namens Willis, außerdem eines von meinem Bruder Stefan, der Befehlshaber der Einrichtungen bei Tuuen ist. Er war – zumindest schien er es zu sein – ein Streber, ein Bürgerlicher ohne Verbindung zum Hof und ohne Gönner.«
    »Von der Sorte gibt es hier viele, Admiral.«
    Marais sah in sein Glas, als würde sein nächster Satz irgendwo im Fruchtsaft schwimmen. »Ich meinte das nicht herabsetzend, Torrijos. Ich wollte Ihnen damit nur Stone beschreiben. So wie viele Offiziere seiner Art hatte er wenig Einfluss. Er war äußerst zurückhaltend, und seine herausragenden Fähigkeiten machten ihn zum idealen Adjutanten.«
    »Beispielsweise sein eidetisches Gedächtnis.«
    »Richtig. Er besaß eine Bestätigung dafür vom New Chicago Institute. Aber das war nicht alles: Als ich zu Admiral DeSaias Stab gehörte, war er mir eine unschätzbare Hilfe. Er schien immer schon zu wissen, was mir durch den Kopf ging, ehe ich es selbst wusste. Als die Friedensverhandlungen in die ernsthafte Phase eintraten, hatte ich ihn bereits zu meinem persönlichen Attaché gemacht. Und als ich nach Efal keinen neuen Einsatzbefehl bekam, verschaffte ich ihm das Patent eines Captains.«
    Der Admiral lächelte, als sei ihm gerade eine Erinnerung in den Sinn gekommen, die er seit langem gesucht hatte. »Wir waren auf Halbsold gesetzt, Offiziere des Militärs ohne Posten. Geld war kein Thema, aber anstatt einfach in den Ruhestand zu gehen und ins Geschäft meiner Familie einzusteigen, entwickelten wir großes Interesse am Konflikt selbst.
    Ich hatte Jahre zuvor an der Universität viel Zeit mit dem Studium der Zor verbracht. Einige Monate nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags erhielten wir Diplomatenvisa, um die Zor-Welten auf der dem Imperium zugewandten Seite der Antares-Verwerfung zu besuchen. Dort wollten wir uns Schriften der Zor ansehen und die Kultur dieses Volks aus erster Hand kennen lernen. Es war nicht weiter schwierig. Obwohl der Krieg gerade erst vorüber war, empfingen uns die Fremden ausgesprochen zuvorkommend. Ich vermute, sie tolerierten unsere Anwesenheit, weil wir für sie nichts weiter waren als esHara’y, barbarische Diener des Lords der Ausgestoßenen, die nichts sehen und nichts lernen konnten. So wie ich die Zor nun allerdings kennen gelernt habe, könnte es sein, dass sie uns für Avatare von Shrnu’u HeGa’u hielten.«
    »Shmu’u HeGa’u?«
    »Ein legendärer General. Er diente dem Täuscher und wollte sich mit solcher Anstrengung in die Zor-Gesellschaft einschleichen, dass sein eigenes e’chya sich gegen ihn richtete. Sie müssen erwartet haben, dass wir jeden Augenblick zu Staub zerfielen.«
    Sergei brauchte einen Moment, diese Information zu verarbeiten, dann stellte er seine nächste Frage: »Wann begannen Sie mit der Arbeit an Ihrem Buch, Sir?«
    »Das war in etwa zu der Zeit.« Marais stellte das Glas auf den Tisch. »Wir verbrachten vier Monate im Gebiet der Zor, dann kehrten wir nach Mothallah zurück und bedienten uns der dortigen herausragenden Bibliothek. Nach unseren Nachforschungen wurde klar, dass die Zor den Krieg in einem völlig anderen Licht sahen. Nicht als Kampf zwischen Gut und Böse, auch nicht als Dschihad. Es war eine so völlig fremdartige Perspektive, dass wir uns veranlasst fühlten, diese Sichtweise in Worte zu fassen, damit man eine wirkungsvolle Verhaltensweise entwickeln konnte, um den Zor zu begegnen.«
    Marais atmete tief durch. »Es war so, als würde man die Geschichte von der anderen Seite des 3-V aus betrachten. Alles ergab auf einmal einen Sinn. Warum sie Ayla angegriffen hatten, was sie dazu antrieb, gegen jeden der Friedensverträge zu verstoßen, welches Schicksal den Vertrag von Efal sehr wahrscheinlich erwartete. Beim Rückblick auf sechs Jahrzehnte Konflikt wurde uns klar, dass wir ihnen zwar immer zugehört, sie aber niemals wirklich richtig verstanden hatten.«
    »Wir waren nicht in der Lage, ihre Flügelstellung zu lesen.«
    »Ja, jetzt sind wir klüger. Aber es hatte zuvor nie einen Grund gegeben, darauf zu achten. Die Zor müssen geglaubt haben, wir würden sie ignorieren – was wir

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