Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
lassen, die Regierung in dem Maß zu kontrollieren, wie es bei seinem Vater der Fall gewesen war. Er interessiert sich mehr fürs Reiten und für seine dreihundert Jahre alten Antiquitäten, anstatt sich um den Verlauf des Krieges zu kümmern.«
»Was auch sein Privileg ist«, merkte Violet beiläufig an.
Smith sah nur kurz zu seinem Kollegen. »Dennoch bleibt er von den Auswirkungen nicht verschont. Als der imperiale Hof erstmals von L’alChan erfuhr, entschieden wir, wie wir vorgehen wollten. Der Premierminister sollte Admiral McMasters die Gelegenheit geben, eine Beförderung zum Admiral der Flotte anzunehmen. Es gab guten Grund, dem von uns erstellten Profil zu vertrauen: Demnach hätte McMasters als Karrieremensch sofort die Gelegenheit nutzen müssen, einen Emporkömmling zu ersetzen, der nur wegen seiner adligen Herkunft diesen Posten erhalten hatte. Der Premierminister konnte McMasters aber nicht überzeugen, der das Angebot rundweg ablehnte. Er prophezeite zudem – zutreffend, wie ich anmerken möchte –, dass Marais genau das in die Tat umsetzen würde, was er in seinem Buch geschrieben hatte.«
»Diese Gefahr bestand immer«, warf Red ein. »Das wussten wir schon, als das Buch an Seine Imperiale Hoheit weitergeleitet wurde.«
»Ja, natürlich«, erwiderte Smith. »Aber es war nicht die wahrscheinlichste Entwicklung. Bei jeder Operation haben wir es mit Wahrscheinlichkeiten zu tun. Es ist immer möglich, dass eine Person nicht so reagiert, wie wir es vorhersagen. Außerdem kann stets etwas Unvorhersehbares eintreten, was unsere Absichten zunichte macht. Tatsache ist jedenfalls, dass sich der Imperator mehr und mehr zurückzieht, je mehr Informationen über den Krieg an die Öffentlichkeit gelangen. Dass er seinen langjährigen Schoßhund und Premierminister feuern musste, war für ihn durchaus ein Schock. Die neue Premierministerin ist nicht so entgegenkommend, aber sie hält dem Beschuss aus der Versammlung besser stand. Er überlässt es ihr, die Prügel einzustecken, während er sich seinen Standuhren widmet und stundenlang am Strand entlangreitet.«
»Er hat aber den Oppositionsführer empfangen«, gab Orange leise zu bedenken. Nach ihrer Präsentation hatte sie die gesamte Diskussion schweigend, aber aufmerksam verfolgt. Jetzt beugte sie sich vor. »Und dieses Treffen zog die Entlassung des Premierministers nach sich. Das deutet doch eindeutig daraufhin, dass er Interesse am Geschehen zeigt.«
»Was spielte sich bei diesem Treffen ab?«, fragte Yellow, ehe Smith auf die letzte Äußerung eingehen konnte.
Lächelnd meinte er: »Unser großer Populist ist ein ganz anderer Mensch, wenn er nicht vor der Versammlung steht, sondern vor dem Imperator. Bedenken Sie bitte, dass sich die Audienz lange vor dem Tag abspielte, an dem er predigte, Marais werde nach dem Thron greifen. Hsien agierte da noch verstärkt als Vertreter seiner Partei und seines eigenen Ehrgeizes. Er bot sich an, Premierminister in einer Minderheitsregierung zu werden und Neuwahlen auszurufen, sobald der Imperator das wollte. Er bot auch an, sich hinter den Krieg zu stellen, wenn Marais auf der Stelle zurückgepfiffen und ein Frieden mit den Zor ausgehandelt wurde. In beiden Punkten musste er eine Abfuhr einstecken, da die positiven Medienberichte über den Krieg deutlich im Vordergrund standen, während sich nur ein kleiner Teil der Medien mit den Kriegsverbrechen befasste. Hsien schlug dann vor, der damalige Premier sollte die Verantwortung für jegliches Fehlverhalten der Flotte übernehmen, und riet dem Imperator, seine langjährige politische Rivalin Julianne Tolliver solle als neue Premierministerin die nächste Regierung bilden.«
»Hsien schlug vor …«, platzte es aus Red heraus, doch die Direktorin hob eine Hand, damit er schwieg.
»Natürlich hat er das gemacht«, sagte sie. »So unangenehm ihm das auch gewesen sein mag, war es für ihn auf jeden Fall politisch von Vorteil. Tolliver kann mehr einstecken, und Hsiens Ruf als Außenseiter bleibt gewahrt.«
»Es sei denn, dieses Arrangement wird öffentlich bekannt«, wandte Orange ein.
»Richtig«, stimmte die Direktorin zu. »Fahren Sie bitte fort, Green.«
»Danke, Direktorin. Der Imperator akzeptierte Hsiens dritten Vorschlag, wie Sie alle wissen. Es ist nicht klar, ob er Hsiens wahre Absichten durchschaute. Als der Abgeordnete letzten Monat seine Rede hielt und Marais unterstellte, es auf den Thron abgesehen zu haben, war der Imperator außer sich vor Wut. Er
Weitere Kostenlose Bücher