Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
bestellte Hsien zu sich an den Hof auf Oahu, damit er ihm eine Erklärung lieferte, doch da hatte der bereits das System verlassen und war zu einer Reise aufgebrochen. Also stand Seine Imperiale Hoheit wie ein begossener Pudel da: Sein Premierminister war ins Kreuzfeuer geraten, ein Admiral widersetzte sich seinen Befehlen, und die Versammlung war nicht in der Lage, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Kein Wunder, dass er so viel Zeit damit verbringt, das politische Geschehen zu ignorieren.«
»Wir haben zu dieser Situation beigetragen«, merkte Violet leise an.
»Das ist nicht die Situation, die von uns angestrebt wurde«, erwiderte Smith rasch. »Wir hatten etwas völlig anderes erwartet …«
»Das ändert aber nichts daran«, unterbrach Violet ihn, »dass wir für Seine Imperiale Hoheit eine tiefe Grube gegraben haben. Es erscheint mir nur gerecht, wenn wir ihm nun auch heraushelfen.«
»Wenn es im Interesse der Agency ist«, meinte Blue kühl.
»Wir haben es hier nicht mit irgendeinem zweitrangigen Politiker zu tun«, mahnte Smith. »Er ist der Imperator, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das nicht vergessen würden. Unsere Loyalität gilt …«
»… dem Imperium.«
»Und dem Imperator. Oder haben Sie Ihren Eid vergessen? Ich nicht. Wir haben eine verzwickte Situation geschaffen, weil Marais mit unserer Hilfe zum Admiral ernannt wurde. Ich schlage vor, wir lösen das Problem Seiner Imperialen Majestät auf die schnellstmögliche und direkteste Art.«
»Und die wäre?«, fragte die Direktorin, obwohl alle am Tisch die Antwort kannten oder zumindest ahnten.
»Operation Tattoo«, antwortete Violet prompt.
»Wie Sie wissen, Violet, ist für Maßnahmen gegen eine Person, die so sehr in der Öffentlichkeit steht wie Admiral Marais, die unmittelbare Zustimmung des Imperators notwendig«, sagte die Direktorin nachdenklich. »Wir sollten uns hüten, das selbst in die Hand nehmen zu wollen. Damit hängt auch die Frage zusammen, welche Auswirkung das auf die Kriegführung hat.«
»Es wird wohl kaum ungeschehen machen können, was er bislang angerichtet hat«, meinte Violet spöttisch. »Auf dieser Seite der Antares-Verwerfung gibt es keinen Flottenstützpunkt und keine Siedlung der Zor mehr, er hat A’anenu eingenommen, er hat sogar einen Zor festnehmen können. Der Feind hat einmal ein Friedensangebot unterbreitet, und ich bin mir sicher, man wird ein zweites Angebot nachlegen …«
»Die Aliens haben Marais mythische Dimensionen verliehen …«
»Ach, kommen Sie, Direktorin. Das nehmen Sie doch nicht wirklich ernst! Das ist irgendwelcher Unfug. Hokuspokus, Handleserei – oder besser gesagt: Krallenleserei. Einen Mann aus dem Spiel zu nehmen, wird keinen Unterschied machen. Was die andere Sache angeht, Direktorin, empfinde ich es als ein wenig unerfreulich, dass Sie sich vor etwas so Simplem wie einem Attentat scheuen, vor allem wenn es den Schutz des Imperators betrifft. Sie waren bereit und fähig, die Agency in einer Operation zu leiten, in der es darum ging, Admiral Marais das Kommando über die Flotte zu geben, damit er etliche Welten verwüstet und Millionen Zor tötet und gleichzeitig zehntausende Menschenleben aufs Spiel setzt …«
»Das kann man wohl kaum vergleichen …«
»Wirklich nicht? Bitte ersparen Sie mir diesen Anflug von Moral, Direktorin. Man kann es sehr wohl vergleichen. Wenn wir Marais benötigt haben, um das Imperium nach Pergamum auf den rechten Weg zu bringen, dann müssen wir uns keine Vorwürfe machen. Wenn wir ihn jetzt nicht mehr gebrauchen können, dann entledigen wir uns seiner. So einfach ist das.«
Die Direktorin war sichtlich wütend und brauchte einen Augenblick, um sich zu sammeln und weiterreden zu können. »Ihre Argumente entbehren nicht einer gewissen Logik, Violet. Ich werde darüber nachdenken. Möchte sonst noch jemand etwas zu diesem Punkt sagen?«
Niemand schien sich äußern zu wollen.
»Gut. Derzeit besteht für uns wohl keine akute Notwendigkeit, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Wenn der Imperator die Operation Tattoo anordnen möchte, dann werden wir sie ausführen. Wenn Marais fähig und daran interessiert ist, Imperator zu werden, dann braucht er einen Geheimdienst. Wie stets werden wir in der Lage sein, unsere Interessen zu schützen und zu wahren. Für den Moment muss jeder von uns weitere Informationen zusammentragen. Das Treffen ist damit beendet.«
Die sechs Agenten standen auf und verließen ihre Plätze. Violet sprach kein Wort
Weitere Kostenlose Bücher