Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
Tonfall angenommen, der sogar Smith eine Gänsehaut bescherte. »Wenn Marais es versucht und scheitert, dann hat Hsien womöglich die Gelegenheit, Premierminister zu werden. Er soll sich auch weiter der Agency gegenüber verpflichtet fühlen.«
»Das ist bereits der Fall«, wandte Yellow ein.
»Ein gutes Argument«, sagte die Direktorin. »Haben Sie sonst noch etwas zu berichten, Yellow?«
»Nein, Direktorin. Die Situation in der Versammlung stellt sich insgesamt so wie erwartet dar. Seit Green von dem Treffen des Premierministers mit Admiral McMasters berichtete, war für uns klar, dass die Regierung die Situation längst nicht mehr im Griff hat, das vor der Opposition aber um jeden Preis verheimlichen will. Die Premierministerin überlegt, den Imperator zu bitten, die Versammlung zu verschieben. Nach allem, was ich weiß, wird er dem wohl zustimmen. Momentan ist die Situation verfahren.«
»Sehr gut. Blue, können Sie etwas über den gefangen genommenen Zor berichten?«
»Ja, Direktorin«, antwortete Blue. Sie berührte ihren Reader, dann erwachten auch die Monitore der anderen zum Leben und zeigten einen kurzen 3-V-Clip eines uniformierten Zor, der in einer schwach beleuchteten Kammer auf und ab geht. »Das ist der Zor Rrith, der während des Angriffs auf A’anenu gefangen genommen werden konnte. Momentan befindet er sich auf dem Flaggschiff. Er trägt die karmesinrote Schärpe eines Fühlenden, ist aber dem Anschein nach keinem formalen Test unterzogen worden. Er ist sich seiner momentanen Umgebung bewusst. Sie werden feststellen, dass die Wissenschaftsabteilung der Gagarin recht grobschlächtig versucht hat, ein Zor-Nest zu simulieren. Außerdem …«
Wieder berührte sie den Reader, um ein Standbild zu erhalten. »Ausschnitt 340 zu 90, sechsfache Vergrößerung.« Der Bildschirm fuhr an den gewünschten Bereich heran, bis zu sehen war, dass in einer Ecke des Raums ein Objekt lag: ein Schwert, das in einer Scheide steckte. »Außerdem zeigt diese Szene, dass er seine zeremonielle Waffe, das chya, anscheinend achtlos weggeworfen hat …«
»Man hat ihm seine Waffe gelassen?«, meldete sich Red ungläubig zu Wort. »Diese Narren! Er könnte sich jederzeit das Leben nehmen!«
»Nach allem, was wir über die Zor-Gesellschaft wissen, dürfte sich dieser Alien nun als idju betrachten, als ehrlos«, erwiderte Blue, deren Stimme erkennen ließ, dass sie sich nur mit Mühe beherrschte. »Da er dem Feind lebend in die Hände gefallen ist, anstatt im Kampf zu sterben, hat er das Recht verloren, sich das Leben zu nehmen. Deshalb hat er sein chya achtlos weggeworfen. Allerdings wurde Rrith nach der Entstehung dieser Aufnahmen gesehen, wie er sein chya wieder trug. Admiral Marais persönlich traf die Entscheidung, dem Gefangenen das Schwert zu belassen. Offenbar wollte er dem Zor einen gewissen Status einräumen.«
»Absurd«, meinte Red, behielt aber jeden weiteren Kommentar für sich, als er den Blick der Direktorin sah, den sie ihm zuwarf.
»Trotz dieser Erkenntnis«, fuhr Blue fort, »verhielt sich der Zor feindselig und unkooperativ. Kurz nach Entstehung dieser Aufnahmen wurde er von einem Marine von der Biscayne besucht. Rrith griff ihn zwar nicht an, aber die Unterhaltung war unergiebig.«
»Ein Marine?«, fragte die Direktorin. »Warum sollte ein Marine den gefangenen Zor besuchen?«
»Das weiß ich leider nicht, Direktorin. Unser Agent erfuhr erst anschließend von diesem Besuch, es war ihm nicht möglich, davon einen Mitschnitt zu erhalten. Irgendwelche technischen Probleme an Bord der Gagarin, soweit ich weiß. Aber sowohl der Marine als auch der Gefangene wurden später auf die Lancaster verlegt. Der Admiral hat sich dann mit dem Zor unterhalten.«
»Wie ging dieses Zusammentreffen aus?«
»Auch hier, Direktorin, mangelt es mir … uns an Daten zum Geschehen, da unser Agent nicht länger vor Ort ist. Wir wissen lediglich, dass der Gefangene nach dem Gespräch immer noch sein chya trug. Womöglich hat Marais ihm also tatsächlich irgendeinen Status zugestanden.«
»Wir brauchen mehr Informationen über diese Angelegenheit. Blue, versuchen Sie, so viel wie möglich über den Gefangenen und diesen Marine in Erfahrung zu bringen.«
Die Direktorin warf einen kurzen Blick auf den Reader. »Gut … Green, bringen Sie uns bitte auf den neuesten Stand der Dinge auf Oahu.«
»Mit Vergnügen, Direktorin«, erwiderte Smith. »Wie Sie alle wissen, hat unser Imperator nur selten einmal den Wunsch erkennen
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