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Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Titel: Bd. 1 - Die dunkle Schwinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter H. Hunt
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Nach wenigen Augenblicken kehrte wieder Normalität ein, die unterbrochenen Gespräche wurden fortgesetzt, Gläser klimperten, und die Geräusche der Spiele, die irgendwo auf dem Deck gespielt wurden, setzten wieder ein.
    »Was führt Sie denn hierher, Bruce?«, fragte Sergei, als er eine vertraute Gestalt erblickte, die sich gegen das äußere Geländer lehnte.
    Major Bruce Wei drehte sich zu seinem vorgesetzten Offizier um, salutierte und lächelte ihm zu. »Ich bewundere nur die Aussicht, Skip.« Er deutete über seine Schulter nach draußen. »Die Gagarin macht sich bereit für den Wachwechsel.«
    »Das sollten wir uns ansehen.« Sergei kam zum Geländer und sah in die Richtung, in die Wei zeigte. Der Fensterbereich direkt vor ihnen war auf eine stärkere Vergrößerung eingestellt. Der große Transporter kam langsam ins Blickfeld. Sergei sah eine Welle aus winzigen Punkten, die in einem perfekten Muster das Flugdeck verließen, Richtung Steuerbord schwenkten und dann in einen langen, gemächlichen Orbit um die Gagarin gingen.
    »Wenn ich mich nicht irre, Skipper, sind Sie doch früher eins von diesen Dingern geflogen, oder?«, fragte Wei, ohne den Blick abzuwenden.
    »Ja, als ich jünger und noch viel unvernünftiger war.« Sein Sicherheitschef musste grinsen, als er das hörte. »Das ist lange her, und ich hatte verdammtes Glück, dass ich es überlebt habe.«
    »Den Job würde ich nicht mal für den zehnfachen Sold annehmen.«
    »Heute muss ich das auch sagen. Aber als ich neunzehn war … Einen Aerospace Fighter zu fliegen, kann man mit nichts vergleichen, Bruce. Sie sehen das ganze Universum, als wäre es zum Greifen nah. Sie haben alles unter Kontrolle – die Geschwindigkeit, die Richtung, die Entfernung. Und Ihr Finger liegt auf dem Feuerknopf.«
    »Und wenn Sie nahe genug an den Waffen des Feindes sind, verwandeln die Sie in Plasma.«
    »Also hält man sich von ihnen fern. Man fliegt nicht außerhalb der Reichweite seines Flügelmanns, man unternimmt auch keine Solo-Einlagen. Gefechte sind natürlich das Schlimmste, aber genau damit verbringt ein Fighter-Pilot die meiste Zeit.« Er deutete auf einen der wenigen Leuchtkäfer. »Man fliegt in einer Formation, man beobachtet den Radar, man meldet sich alle fünfzehn bis dreißig Minuten. Da hat man viel Zeit zum Nachdenken.« Er stützte sich auf das Geländer. »Möchte wissen, worüber der da draußen nachdenkt.«
    »Über den Krieg, würde ich sagen, Skip.«
    »Und was?«
    »Oh, nichts Tiefschürfendes oder Philosophisches, glaube ich. Er denkt über das nach, was jedem Soldaten durch den Kopf geht, wenn das Thema aufkommt: Wann werde ich mein Zuhause wiedersehen?«
    »Zuhause.« Sergei richtete sich auf, und mit einem Mal fühlte er sich einsam … nein, er fühlte sich eher allein. »Von zu Hause sind wir weit weg, nicht wahr?«
    »Wir werden uns bestimmt sogar erst noch weiter entfernen, ehe wir wieder näher kommen«, erwiderte Wei und verschränkte die Arme vor der Brust. »Eine andere Wahl haben wir ja wohl nicht.«
    »Wie denkt die Crew darüber?«
    »Ich bin mir sicher, wenn Sie die Leute fragen, werden alle voller Überzeugung hinter Ihnen stehen, Skip. Und auch hinter dem Admiral.«
    »Das ist nur das, was sie sagen werden. Aber wie denken sie darüber?«
    »Ich bin da nicht wirklich eingeweiht.« Bruce Wei verzog bei seiner Antwort nicht eine Miene. Er wusste es ganz genau, aber er würde es Sergei nicht sagen.
    »Wissen Sie«, meinte Sergei nach einer kurzen Pause, »ich halte Sie immer noch für den besten Pokerspieler der Flotte.«
    »Ich widerspreche meinem vorgesetzten Offizier nur ungern«, gab Bruce zurück und ließ den Hauch eines Lächelns erkennen, »aber ich glaube, für dieses Mal muss ich den Titel abgeben.«
    »Tatsächlich?«
    »Der Admiral ist der allerbeste Pokerspieler der Flotte«, fuhr Bruce fort. »Ich habe immer gesagt, ich kann am Augenzwinkern ablesen, ob jemand blufft oder nicht. Aber bei ihm habe ich absolut keine Ahnung, was er vorhat.«
    Jetzt verstehe ich, dachte Sergei. »Ich glaube, ich kann darüber nicht mit Ihnen reden, Bruce, und das wissen Sie auch.«
    »Natürlich, Skipper.« Er sah wieder nach draußen. »Und Sie wissen, dass ich keine Fragen stellen würde, aber … man hört dies und jenes.«
    »Dies und jenes?«
    »Da kursiert das Gerücht«, sagte Bruce so leise, dass ihn außer Sergei niemand hören konnte, »der Admiral sei gar nicht mehr Admiral, dass er es aber so bald keinen wissen lassen will.

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