Bd. 3 - Der dunkle Stern
in fahles Licht, und in diesem Moment wirkte sie einfach nur wie eine riesige Karikatur der Aliens, denen sie auf Crossover und Cicero begegnet war. Noch während sie gebannt hinsah und ihren Blick nicht abwenden konnte, öffneten sich die gewaltigen Tore des Turms, und in ein geisterhaftes, himmelblaues Licht eingehüllt stand vor ihr …
Sie hielt das abgebrochene Heft von Ch’k’tes chya in der Hand vor sich ausgestreckt und saß aufrecht im Bett. Nur das gleichmäßige Summen der Schiffssysteme und das Schlagen ihres Herzens waren zu hören.
Sie schaute sich im Raum um, als würde sie ihn zum ersten Mal zu sehen bekommen, so als betrachte sie eine 3-V-Dokumentation. Sie schlug die Bettdecke zur Seite und drehte sich zur Seite, sodass ihre Beine über die Bettkante baumelten. In der Hand hielt sie immer noch das abgebrochene Heft.
Nichts geschah. Langsam ließ sie es zu, dass sich ihr Geist auf den Traum konzentrierte, der immer noch in ihrem Kopfnachhallte.
»Ch’k’te«, sagte sie, dann folgte ein Fluch, da neben das lebendige Bild ihres Freundes, der im Sturm zusammengekauert hockte, jenes schreckliche Bild rückte, das seinen Leichnam auf dem Deck von Crossover zeigte. Für einen winzigen Moment nahm sie wahr, wie das Heft des chya etwas Eigenwärme ausstrahlte, doch dann war es auch schon wieder vorbei.
Sie legte es neben sich aufs Bett und zog sich rasch an, wobei sie jeden Gedanken an noch ein wenig Schlaf rasch verwarf. Während sie einen Stiefel anzog, wurde ihr bewusst, dass sich noch jemand in diesem Raum aufhielt. Sie sah hoch und entdeckte vor sich Th’an’ya, die sie beobachtete.
»Sie kommen nicht mehr erst dann, wenn ich Sie rufe, sondern Sie tauchen nach Belieben auf.«
»Ich komme, wenn ich gerufen werde«, gab sie zurück.
»Aber ich …«
»Ich komme, wenn ich gerufen werde.« Th’an’ya kauerte auf einem niedrigen Hocker. »Die Diener der Schmach regen sich, und ein großer Krieg ist nicht mehr fern. Außerdem neigt sich dieser Teil unserer Reise dem Ende entgegen. Das gyaryu ist jetzt sehr nah.«
»Wir befinden uns noch im Sprung.«
»Im Augenblick ja. Die Borduhr zeigt an, dass es weniger als eine halbe Sonne dauert, ehe wir den Sprung verlassen.«
»Wo?«
»Nahe dem oberen Ende der Gefahrvollen Stiege, se Jackie.«
Th’an’ya sagte es in nüchternem Tonfall, obwohl Jackie wusste, dass sie den Traum mit ihr geteilt haben musste. Mit einer beiläufigen Geste widmete sie sich dem anderen Stiefel, dann stand sie auf und schob das drya-Heft unter ihren Gürtel. Mund und Kehle fühlten sich an, als hätte sie einen Liter Polymerschmiermittel geschluckt, und im Geiste hörte sie noch immer den Sturm aus ihrem Traum.
»Ich wollte mich im Traum nicht zur Feste der Schrrtach begeben, Th’an’ya. Ich weigerte mich, obwohl Sie und Ch’k’te …« Ihre Stimme versagte kurzzeitig. »… obwohl Sie und Ch’k’te mir sagten, ich müsse hingehen. Was bedeutet das? Werde ich nach all diesen Vorbereitungen letztlich nicht in der Lage sein, die Suche abzuschließen?«
»Niemand kann diese Frage beantworten, nicht einmal Sie selbst. Es ist daher sinnlos, zu diesem Zeitpunkt überhaupt diese Frage zu stellen.«
»Na, großartig.« Sie ging an Th’an’yas Bild vorbei in den Hauptraum des Schiffs und schaute kurz auf den Bugschirm. Der zeigte anGa’e’ren – das absolute Schwarz des Sprungs, das durch nichts unterbrochen oder gestört wurde. »Dann werden mir jetzt auch noch meine Selbstzweifel versagt.«
Sie bestellte an der automatischen Küche etwas zu trinken und wandte sich zum Tisch um, damit sie sich hinsetzen konnte. Th’an’ya saß ihr bereits gegenüber, die Flügel in eine Position gebracht, die leichte Verwirrung erkennen ließ.
»Was ist los?«, fragte sie die Zor-Frau. »Können Sie meine Flügel nicht lesen?«
»Ihre Stimmung ist schwierig zu verstehen. Es ist klar, dass wir uns einer großen Gefahr nähern, die nur noch wenige Stunden entfernt ist, doch Ihr Geist scheint nicht auf die Suche konzentriert zu sein.«
Jackie hob flüchtig lächelnd den Kopf. »Ich glaube, sogar Ch’k’te würde lachen, wenn er Sie so nörgeln hören könnte. Ich habe die Legende gelesen. Mein Eindruck ist der, dass der große Held Qu’u auch nicht sehr viel Zeit damit verbrachte, sich ›auf die Suche zu konzentriere<. Er und sein treuer Gefährte sind einfach wie artha im Nebel umhergestolpert, bis das nächste Mal ihr Mut oder ihre Kraft auf die Probe gestellt wurde.
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