Bd. 3 - Der dunkle Stern
schließlich in einem Bett auf der Krankenstation liegend die Augen aufschlug: Ein uralter Zor mit fast durchscheinenden Flügeln kauerte auf einem Hocker neben dem Bett, die Flügel so gehalten, dass sie den dürren, zerbrechlichen Körper zum Teil umhüllten. Ihm fiel ein Schwert am Gürtel der Kreatur auf, auch wenn es anders wirkte als jede Zor-Klinge, die er je gesehen hatte.
»Wer …?«, brachte er heraus, dann bemerkte er, dass seine Kehle völlig ausgedörrt war. Der Zor griff nach einer Plastikflasche auf dem Nachttisch und schob den Strohhalm Hsien in den Mund. Trotz seines Widerwillens trank der Admiral ein paar Schlucke und fühlte sich schon etwas besser.
»Wer zum Teufel sind Sie?«, flüsterte er.
»Ihre Abneigung gegen mein Volk ist so groß, wie es die Gerüchte vermuten ließen«, antwortete der Zor, dessen Gesicht natürlich keine Gefühlsregung verriet. Auch dem Tonfall konnte der Admiral nichts entnehmen. »Dennoch hätte ich eine Spur mehr Höflichkeit gegenüber demjenigen erwartet, der Ihnen das Leben gerettet hat. Ich bin S’reth. Es gäbe mehr zu meiner Genealogie zu erzählen, doch ich vermute, dass Sie das derzeit nicht allzu sehr interessieren wird.«
»Gerettet …«
»Es war der Wille von Lord esLi, dass unser Schiff in das System einflog, bevor der Alien an Bord Ihres Schiffs Gelegenheit bekam, Ihren Verstand wie eine cthi-Frucht zu zerquetschen, se Admiral. Mit Fühlenden, die darauf geschult sind, solche Angriffe abzuwehren, waren wir in der Lage, es von der Gibraltar zu drängen und Ihrem sowie mehreren anderen Schiffen die Flucht aus dem System zu ermöglichen.«
»Und … Adrianople?«
»Ich habe Ihre Frage nicht ganz verstanden.«
»Haben wir Adrianople aufgegeben?«
»Es ist sinnlos, etwas verteidigen zu wollen, das längst verloren ist, se Admiral. Im Adrianople-System finden sich keine uns freundlich gesinnten Schiffe mehr, wenn Sie das wissen wollen.«
»Das war … die größte Sternbasis an den Grenzen des Imperiums.«
S’reth veränderte seine Flügelhaltung. »Es ist angemessen, die Vergangenheitsform zu verwenden, se Admiral.«
Hsien wollte sich aufsetzen, wurde aber von Schwindel und Übelkeit erfasst, sodass er gezwungen war, sich wieder hinzulegen. Er wartete, bis der Raum aufhörte, sich um ihn zu drehen, dann sah er abermals den Zor an. »Was ist geschehen? Was ist mit mir geschehen?«
»Sie wurden von einer überlegenen Macht in die Knie gezwungen. Auf Ihren Befehl hin begann Ihr Geschwader einen Angriff auf die Schiffe der Aliens im Adrianople-System.«
Hsien wollte protestieren, doch in seinem Geist nahm eine Erinnerung Form an: Er saß reglos im Bereitschaftsraum der Gibraltar und hörte seine eigene Stimme, die den Befehl gab, sich dem Feind zu nähern. Flüchtige Eindrücke von Tod und Vernichtung wirbelten durch sein Bewusstsein wie Reflexionen in einem zerbrochenen Spiegel, unvollständig und scharfkantig. Er schloss die Augen, doch die Bilder stürmten weiter auf ihn ein und kreisten um ihn, während er so reglos und erstarrt dalag, wie er sich in seinem Bereitschaftsraum gefühlt hatte …
»se Admiral.«
Seine Augen zuckten auf. »Es war nicht … ich habe nicht …«
Der alte Zor flatterte von seinem Platz herab. »Ich werde für Sie und mich etwas Warmes zu trinken besorgen, se Admiral. Sie haben etwas Schwieriges und Unangenehmes durchgemacht. Aber wenn wir eine Chance haben wollen, die esGa’uYal zu besiegen, dann müssen Sie uns so viel wie möglich über sie sagen.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, ging der Zor fort und verließ Hsiens Gesichtsfeld.
Admiral Hsiens Gespräch mit dem alten weisen Zor dauerte drei Standardtage lang. Untergebracht war er in einer behaglich aussehenden Zweizimmersuite im medizinischen Flügel der Oberon-Sternbasis, fünfzehn Parsec von Adrianople entfernt. Nach den ersten Sitzungen und unruhigen Schlafphasen fühlte er sich mehr und mehr in der Lage, das Bett zu verlassen und sich ein wenig zu bewegen. Es fiel ihm schwer, ein Versagen einzuräumen.
Selbst angesichts dessen, was er über die Vorfälle bei Cicero wusste, erwies es sich für Hsien als problematisch, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass es einen Gegner geben könnte, der nicht zu besiegen war.
Er konnte sich nur auf die Erfahrungen derjenigen verlassen, die bereits an Kämpfen gegen die Aliens beteiligt gewesen waren. Also bestellte er jemanden zu sich, der soeben ins System gekommen war und der die Flucht von Cicero
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