Bd. 3 - Der dunkle Stern
Bestimmung, zu der sie seit ihrem eigenen Dsen’yen’ch’a gelenkt worden war, vielleicht sogar schon seit der ersten Begegnung der Zor mit den Vuhl vor vielen Jahren, als sie nicht einmal wussten, wer sie, Jackie, überhaupt war. Weder T’te’e noch der Gesandte wussten so recht, wie sie mit ihr umgehen sollten. Beide waren an dem komplexen Prozess beteiligt, der zu diesem Moment geführt hatte, und beiden wurde zuteil, was sie wollten, aber vielleicht nicht das, was sie erwarteten. Nun sah es so aus, als würden sie Owen Garrett wie eine Schachfigur platzieren.
Noch immer gab es Fragen, die weder der Gesandte noch der Hohe Kämmerer beantworten konnten. Aber ihr stand eine weitere Informationsquelle zur Verfügung. Begleitet von den friedlichen Klängen des Hohen Nests und im wärmenden Schein der Sonne schloss sie die Augen und ließ die Hände auf dem uralten Zor-Schwert ruhen. Ehe sie jedoch in der Lage war, nennenswerte Fortschritte zu machen, klingelte es an der Tür.
Widerwillig öffnete sie die Augen. »Herein.«
Die Tür glitt zur Seite, und sie sah Randall Boyd dort stehen. »Ich wollte Sie nicht stören, se Gyaryu’har.«
»Nein, das macht nichts.« Sie stand auf und schnallte sich den Gürtel um, an dem die Scheide des gyaryu hing. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Nein danke.« Er betrat den Raum. »Sie sagten, das gyaryu wurde Ihnen von einem Mann namens Stone gegeben.«
»Ja, richtig.«
»Nach unserem Treffen habe ich eine Abfrage durchgeführt, und dabei ergab sich etwas Sonderbares.« Er legte einen kleinen Computer neben ihr auf den Tisch und beschrieb eine Geste. In der Luft nahm ein Bild Form an; es zeigte einen drahtigen Mann in der fast vor einhundert Jahren aus der Mode gekommenen Uniform eines Captain der Imperialen Navy.
Jackie legte eine Hand auf das Heft des gyaryu. »Stone.«
»Captain Thomas Stone, aufgenommen 2305. Während des letzten Kriegs zwischen dem Sol-lmperium und dem Volk der Adjutant von Admiral Marais.«
Jackie veränderte die Einstellung, das Bild zeigte daraufhin ein Porträt als Ausschnitt. Der Mann hatte den gleichen angespannten Ausdruck, das flüchtige gehässige Lächeln, das Jackie nur wenige Stunden zuvor gesehen hatte, als außerhalb der Feste der Schmach das Unwetter tobte.
»Das ist er.« Sie betrachtete noch ein paar Sekunden lang das Bild, dann schaltete sie ab, als wollte sie nicht, dass er ihre Unterhaltung belauschte. »Nur in einer neunzig Jahre alten Uniform.« Jackie sah ihr Gegenüber an. »Da steckt doch mehr dahinter, Mr. Boyd, sonst wären Sie nicht hergekommen.«
»O ja, das ist richtig.« Er betrachtete die Konsole, obwohl es mehr so wirkte, als wolle er vermeiden, ihr in die Augen zu sehen. »Captain Stone verschwand unter mysteriösen Umständen und tauchte erst wieder auf, als si Marais auf der Grimaldi-Basis vor dem Kriegsgericht stand. Er wollte den Admiral umbringen, starb aber bei dem Versuch. Wenn es sich um ein und dieselbe Person handelt« – er schien großen Wert darauf zu legen, nicht den Begriff Mann zu verwenden –, »dann ist sie nicht nur sehr langlebig, sondern auch fähig, von den Toten aufzuerstehen.«
»Dann kann es sich nicht um dieselbe Person handeln.« Sie kratzte sich am Kopf. »Trotzdem … was meinen Sie mit ›unter mysteriösen Umständen‹?«
»Ich habe mich mit den Logbüchern der Lancaster befasst, dem Flaggschiff der Flotte bei Admiral Marais’ Feldzug. Als es sich im Sprung zwischen A’anenu und Hu’ueru befand, also irgendwo in der Antares-Verwerfung, verließ Stone das Schiff.«
»Das ist unmöglich.«
»Offenbar nicht. Chandrasekhar Wells, zu der Zeit XO der Lancaster, legte sechs Jahre später dem Wissenschaftlichen Kollegium in esYen ein Papier vor, mit dem er die mathematischen Grundlagen schuf für einen Energiestrom, von dem Captain Stones Verschwinden begleitet wurde. Das Ganze wurde natürlich als vollständig theoretische Arbeit angesehen, auch wenn Teile dieser Berechnungen in den fünfzig, sechzig Jahren benutzt wurden, um die Sprungfähigkeit zu verbessern. Es stimmt, dass wir keine Erklärung für das haben, was an Bord der Lancaster vor über fünfundachtzig Jahren geschah. Ich muss eingestehen, dass die offiziellen Logbücher nur wenig Brauchbares enthalten.«
Jackie sagte nichts.
»Oh, da war noch eine andere interessante Kleinigkeit.« Er schaute einen Moment lang unschlüssig drein, als überlege er, wie er vorgehen sollte. »Wie Sie wissen, war auch
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