Bd. 3 - Der dunkle Stern
er nickte, legte sie instinktiv ihr Hand auf das bereits vertraute Heft des gyaryu und schloss die Augen.
Fast auf der Stelle spürte sie Sergeis Präsenz im Inneren des Schwertes. Lassen Sie uns helfen, sagte er. Versuchen Sie, die Szene vor Ihrem geistigen Auge entstehen zu lassen, dann sollten wir in der Lage sein, die Nachricht wieder zusammenzusetzen.
Sie konzentrierte sich und fühlte, wie ihr die Worte ins Gedächtnis zurückkehrten. »Sie sind hergekommen, um die Gefahrvolle Stiege zur Feste der Schmach zurückzulegen«, zitierte sie. »Sie glauben, Sie haben einen weiten Weg hinter sich, doch all Ihre bisherigen Reisen stellen nur einen Bruchteil der Aufgabe dar, die noch vor Ihnen liegt. Gehen Sie zum Mittelpunkt, Mächtiger Held. Die Eiswand wartet.«
Als sie die Augen aufschlug, bemerkte sie, wie überrascht die beiden Zor waren. Netter Trick, sagte sie an Sergei gewandt. Danke.
»›Gehen Sie zum Mittelpunkte«, wiederholte Boyd verwundert. »Was hat das zu bedeuten?«
»Damit wurde mir mitgeteilt, wohin ich mich als Nächstes begeben sollte. Es war eine Falle. Einer der Vuhl – einer der Aliens – wartete im Verwaltungstrakt der Station auf uns. Crossover hat die Form eines Rads« – sie hielt die Hände so vor sich, dass Zeigefinger und Daumen einen Kreis formten –, »und dessen Mittelpunkt ist das Center. Wir begaben uns hin und kämpften mit einem esGa’uYe. Er … es … tötete Ch’k’te.« Sie faltete die Hände. »Ch’k’te konnte das Ding mit sich in den Tod nehmen. Er zerbrach sein chya im Körper des Alien. Der Fremde dachte, Ch’k’te sei Qu’u. Er schien die ganze Legende zu kennen, so als würde er das gesamte Geschehen so manipulieren, wie es für ihn am besten war. Da es eine Legende des Volks ist, nahm der Alien natürlich an, ein Krieger des Volks müsse Qu’us Avatar sein. Es war eine verständliche Annahme, auch wenn sie falsch war. Als der Alien auf einmal erkannte, dass ich Qu’us Rolle hatte, war er lange genug abgelenkt, sodass Ch’k’te ihn attackieren konnte. Der war immer noch wütend, dass die Vuhl ihn auf Cicero dominiert hatten, und ich vermute, er fühlte sich von Th’an’ya verraten, da sie ihr hsi auf mich übertragen hatte. Zu sterben war für ihn sehr leicht.«
»Er diente esLi «, sagte der Hohe Kämmerer.
»Verdammt, er beging Selbstmord. Er überwand den Äußeren Frieden, weil er sich so schuldig fühlte, dass er immer noch lebte, und er nutzte die erstbeste Gelegenheit, die sich ihm bot, um seinem Leben ein Ende zu setzen …«
»Sie verstehen nicht, se Jackie«, setzte der Hohe Kämmerer an, doch Jackie drehte sich so abrupt zu ihm um, dass er vor Schreck die Flügel anhob.
»Nein, seT’te’e, ich verstehe sehr wohl. Vor dem D’sen’yen’eh’a und vor meiner Reise zur Feste der Schmach verstand ich es nicht, aber jetzt schon. Und ich sage Ihnen auch, wenn Ch’k’te starb, um mein Leben zu retten, dann war das ein tragischer, aber annehmbarer Tod. Doch wenn er nur starb, weil ein gesellschaftlicher Zwang von ihm verlangte, sein Dasein zu rechtfertigen, dann war es sinnlos und unannehmbar. Würde Ch’k’te jetzt noch leben, dann hätte er für diesen Rat einen viel höheren Wert, und er könnte uns bei unserem Kampf deutlich mehr helfen, als wenn er nur weiteres hsi wäre, das esLis Goldenem Licht zugefügt wurde.«
»esLi verfolgt seine eigenen Absichten«, sagte der Hohe Lord nach einer kurzen Pause. »Es ist nicht an uns, infrage zu stellen, ob Ch’k’te zu kurze Zeit den Äußeren Frieden wahrte.«
»Ich gebe zu, dass wir nicht esLis Absichten verstehen können, hi Sa’a. Diese Absichten will ich auch nicht infrage stellen. Ich will damit nur sagen, wenn Ch’k’te sein Leben nach etwas ausgerichtet hatte, das ihn letztlich unnötig in den Tod trieb, dann ist diese Philosophie verkehrt. Ch’k’te wurde von dem Geist eines überlegenen Fühlenden dominiert, einem feindseligen Alien, gegen den er unzureichend geschützt war. Er wird nicht der Letzte sein, dem ein solches Schicksal widerfährt. Wir können es uns nicht leisten, dass jeder Fühlende, der die Domination erlebt hat, sich daraufhin in den Abgrund stürzt. Ich wurde auch von einem Alien dominiert. Bin ich deswegen etwa unwürdig, das gyaryu zu tragen?«
Sie sah die anderen der Reihe nach an und konnte deren Bestürzung wahrnehmen. Beim Hohen Kämmerer bemerkte sie sogar einen Anflug von Verärgerung, doch niemand sagte ein Wort.
»Vor hundert Jahren hielt
Weitere Kostenlose Bücher