be-coming
nicht aufgetaucht war, ging ich ihn suchen. Ich fand ihn schließlich in der Bibliothek. Er lag auf der kleinen, ledernen Couch und starrte an die Decke.
Als er hörte, wie ich eintrat, stand er langsam auf und fuhr sich mit der Hand durch das zerstrubbelte Haar.
»Was ist los?« fragte ich ihn.
Er wich meinem Blick aus. »Ich habe überlegt, ob ich wieder nach Hause fahren soll. Ich ... weiß nicht, ob ich das hier schaffe.«
»Ob du was schaffst?« Verwundert sah ich ihn an.
Er machte eine ausholende Bewegung mit dem Arm. »Das alles hier, Falk. Die Sache mit uns ... ich weiß nicht, es ist alles zu viel ... ich habe so was noch nie gemacht.«
Ich verspürte einen kurzen Anflug von Angst – ich wollte nicht, dass er jetzt ging. Nicht jetzt, wo wir uns endlich etwas näherkamen.
»Du willst doch nicht wirklich gehen, oder?« fragte ich leise. Ein dumpfer Schmerz wollte sich in mir ausbreiten.
Er seufzte. »Ich ... weiß es wirklich nicht. Ich habe manchmal das Gefühl, als würde ich den Boden unter den Füßen verlieren. Und das ist ein Gefühl, das ich nicht schätze. Ich möchte nicht die Kontrolle verlieren.«
Ich machte einen Schritt auf ihn zu, berührte ihn sanft an der Wange. Die Haut war samtig, weich unter meinen Fingerkuppen. »Du wirst nicht fallen, Cieran – du wirst daran wachsen.«
Er sah mich lange und nachdenklich an. »Ja? Werde ich das? Oder werde ich verlieren – mich verlieren?«
Seine Zweifel schnürten mir die Kehle zu. »Glaubst du, ich würde das zulassen?«
»Ich bin ehrlich, Falk – ich kenne dich nicht genau genug, um das zu beurteilen. Aber ich möchte nicht eines Tages feststellen müssen, dass es zu spät ist, um zu gehen.«
Ich seufzte. »Wenn du gehen willst, kann ich dich nicht aufhalten. Ich würde mich aber freuen, wenn du hier bliebst. Ich ... ich mag dich, Cieran. Du würdest mir schon jetzt fehlen.«
Er lächelte ein wenig scheu und schaute auf seine Schuhe. »Gestern ...«, er suchte nach Worten, »das, was wir gestern gemacht haben, war unglaublich. Ich habe so etwas noch nie gefühlt, es war so – intensiv. Aber – kannst du verstehen, dass ich auch davor Angst habe?«
Ich nickte. »Bleib trotzdem, Cieran, bitte.«
Er sah mir in die Augen. »Nimm mich in den Arm ...«
Ich erwiderte seinen Blick und schlang die Arme fest um seinen zierlichen Körper. Spürte, wie er sich gegen mich sinken ließ.
Ich wollte, dass er bei mir blieb. Das Gefühl schlug über mir zusammen, und ich wusste in dem Moment, dass ich ihn nicht mehr gehen lassen konnte.
17
CIERAN
Ich blieb.
Ich wollte in Falks Nähe bleiben und machte dafür einen Riesenbogen um Phil, der mir von Tag zu Tag unheimlicher wurde. Ob Falk wusste, dass mit ihm etwas nicht stimmte? Ich erinnerte mich an seine abwertende Haltung, damals, bei diesem Gespräch mit Sue. Er schrieb darüber Romane, doch das war kein Grund für ihn die mystischen, unerklärlichen Dinge des Lebens zu sehen und zuzulassen.
Ich sagte nichts dazu. Mir war es recht, dass er von meinem »kleinen Geheimnis« nichts wusste. Wenigstens etwas, das Lisa nicht ausgeplaudert hatte ...
Gordon trainierte mich nun jeden Tag, was nicht hieß, dass ich ständig nackt vor ihm herumkriechen musste. Er machte Gymnastik mit mir, ließ mich schwimmen, ritt mit mir aus – zeigte mir, was ich tun musste, damit meine Muskulatur sich langsam aber sicher wieder aufbaute. Allerdings war er auch recht unnachgiebig – wenn ich irgendetwas zu nachlässig machte, hatte er keine Probleme, mich dafür zu schlagen.
Ich erfuhr, dass er beim Militär war – was mich nicht verwunderte. Er hatte eine Begabung, Leute zu schinden. Und er tat das auch mit offensichtlichem Gefallen.
Bei Falk wohnte er nur vorübergehend, wenn er Urlaub hatte. Für ihn war das eine Art Ausgleich, hatte er mir erzählt. Nach dem tödlichen Autounfall seiner Frau war er ziemlich am Ende gewesen. Er hatte nur noch stumm in seiner Wohnung gesessen, seinen Schmerz mit Alkohol betäubt. Nur noch dahinvegetiert.
Als er Falk kennengelernt hatte, war er zu ihm geflohen, vor seiner leeren Wohnung, vor seinen Erinnerungen. Falk schien ein Händchen dafür zu haben, Leute wieder aufzubauen. Vielleicht zog er auch einfach nur Seelenkrüppel magisch an?!
Seit einem Jahr hatte Gordon wieder eine Beziehung. Ich erkannte, wie sehr er die Frau liebte, mit der er nun zusammen war. Es lag etwas Warmes, Zärtliches in seinem Blick, wenn er von ihr sprach. Etwas, das man
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