be-coming
bogen um die Ecke, auf die Straße, an der Falk seinen Jeep geparkt hatte. Ich umrundete zwei Saxophonisten, die bereits einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. Phil hatte gesagt, dass er in einem Café in der Nähe warten würde, falls er eher fertig war als wir. Ich wollte gar nicht wissen, was er in der Stadt zu erledigen hatte. Es war sicher nicht legal.
Als wir noch zwei Meter vom Auto entfernt waren, ließ Falk die Schlösser aufschnappen. Wir luden unsere Einkäufe ein, und ich sah, dass Falk sich nach Phil umschaute – als plötzlich ein rasend greller Schmerz durch meinen Kopf jagte. Ich ließ die Tüte mit den Klamotten fallen und presste die Hände gegen meine Schläfen.
»Cieran?«
Ich hatte die Augen geschlossen. In meinem Schädel tobte ein Sturm.
»Cieran? Was hast du?« Falks Stimme war so weit entfernt.
»Nein ...« Nur ein Flüstern, dabei hätte ich schreien wollen! NEIN!
Zwei Schüsse ertönten, ganz in der Nähe. Sie waren dumpf, wahrscheinlich aus einer Waffe mit einem alten, abgenutzten Schalldämpfer, aber so verdammt nah, dass ich sofort wusste, dass es Schüsse waren. Der Schmerz in meinem Kopf ließ augenblicklich nach. Es war, als hätte mich eine riesige Hand, die mich zuvor umklammert hatte, einfach losgelassen. Fast wäre ich zu Boden gestürzt!
Falk brauchte nur Sekunden, um zu reagieren. Alarmiert rannte er los, in die Richtung, aus der die Schüsse gekommen waren. Ich folgte ihm, so schnell es mir möglich war. Ich wusste, was Falk vermutete – und betete, dass er unrecht hatte. Scheiße, dabei wusste ich bereits, was passiert war. Ich wollte es nur noch nicht wahrhaben.
Als ich um die Ecke bog, in eine winzige Seitengasse mit altmodischem Kopfsteinpflaster, sah ich eine große Gestalt auf dem Boden liegen. Ich wusste, dass es Phil war. Natürlich wusste ich es. Scheiße, so eine verdammte Scheiße , dachte ich. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Ich konnte kaum atmen.
Phil lag in einer großen Blutlache. In der Ferne verklangen die Schritte eines weglaufenden Menschen. Harte Sohlen auf geteerten Straßen. Er musste denken, Phil sei tot – aber das war er nicht.
Falk beugte sich über ihn.
Zitternd trat auch ich näher. Niemand hatte die Schüsse gehört. Zumindest kam niemand, um nachzuschauen. Warum war niemand hier? Warum interessierte sich niemand? Wir waren ganz allein mit Phil. Doch das realisierte ich nur am Rande. Ich war wie zu einem Steinblock erstarrt, für Sekunden völlig bewegungsunfähig.
Phils Pullover war dunkelrot verfärbt, doch er atmete. Ich sah, wie sich sein Brustkorb bewegte.
»Hol den Wagen«, befahl Falk tonlos und hockte sich neben Phil auf den Boden. Dieser war blass, wie frisch gefallener Schnee.
Warum alarmierte niemand einen Krankenwagen? Einen Notarzt?
Endlich fiel die Erstarrung von mir ab, ich lief los, lief tatsächlich und war kurze Zeit später mit dem Wagen vorgefahren. Meine Beine zitterten, ich war erst ein einziges Mal zuvor selbst gefahren, doch das war vor meinem Unfall gewesen! Natürlich wusste ich noch, wie es funktionierte, in der Theorie. Mit meinen Beinen war das allerdings nicht ganz einfach zu bewerkstelligen. Doch ich schaffte es – ich musste es schließlich können.
Falk richtete Phils Körper auf. Er hatte ihm das T-Shirt ausgezogen und presste es auf die blutenden Einschusslöcher. Phil war bei Bewusstsein, er stöhnte leise.
Gemeinsam hievten wir ihn auf die Rückbank des Jeeps. Falk nahm einen ganzen Stapel Mullkompressen aus seinem Erste-Hilfe-Koffer und drückte mir diesen in die Hand.
»Verdammt«, murmelte Phil, seine Lider flatterten.
»Sprich mit ihm, Cieran. Lass ihn nicht einfach gehen. Hörst du? – Lass ihn nicht gehen ...« Ich hörte die aufkeimende Panik in seiner Stimme.
Falk setzte sich hinter das Steuer und startete den Wagen. Ich war wie erstarrt, doch ich begann, auf Phil einzureden.
Mit einem selbstmörderischen Tempo raste Falk los, bog auf die Hauptstraße ein und fädelte sich rücksichtslos in den Verkehr ein. Ich betete, dass er uns mit diesen halsbrecherischen Fahrmanövern nicht alle umbrachte.
Phils Gesicht war schmerzverzerrt. Ich presste die blutdurchtränkten Kompressen weiterhin auf seine Brust. Das konnte doch alles nicht wahr sein ...
Nur zehn Minuten später – es war mir wie eine Ewigkeit vorgekommen – bog Falk auf den Parkplatz des St. Patrick’s Hospitals ein. Ohne Umstände hielt er direkt vor der Notaufnahme, wo sofort zwei aufgebrachte
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