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be-coming

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Titel: be-coming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Rhys Beck
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Erinnerungen.
    »Als ich schließlich abdrückte und das Blut aus der Wunde des Mannes schoss, dachte ich, ich müsste kotzen. Aber ich riss mich zusammen, denn ich wollte nicht, dass mein Dad mich für eine Memme hielt. Dabei wollte ich nur weglaufen.«
    »Was ist ein Menschenleben wert für dich?«
    Er lachte leise. »Das kommt auf den Menschen an«, sagte er und verzog spöttisch den Mund.
    »Willst du etwa damit sagen, dass nicht jeder Mensch den gleichen Wert für dich hat?« fragte ich entsetzt.
    »Das kannst du doch nicht ernsthaft fragen! Glaubst du etwa, dass jeder Mensch den gleichen Wert hat? – Das ist vielleicht politisch korrekt , aber nicht real. Oder, wie erklärst du dir, dass es Leute gibt, denen du durchaus den Tod wünschst?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Menschen sind zwar nicht gleich – das halte ich auch für Unsinn. Aber ich finde, dass sie trotzdem gleichwertig sind. Was ja nicht ausschließt, dass ich bestimmte Leute so hassen kann, dass ich ihnen den Tod wünsche. Wobei ich nicht glaube, dass ich sie selbst umbringen könnte.«
    »Meinst du nicht? – Der Hass im Menschen ist sehr stark. Er ist neben der Lust der stärkste Trieb im Menschen.«
    Ich betrachtete ihn aufmerksam. »Nein, das glaube ich nicht. In der Welt, in der ich aufgewachsen bin, war es ausgeschlossen, jemanden umzubringen. Es kommt immer darauf an, wie man aufwächst, was man als Kind erlebt. Ich ... ich will es für mich nicht ausschließen, dass ich dazu in der Lage bin. Ich weiß ja nicht, in welche Ausnahmesituationen ich noch gerate in meinem Leben. Aber, nur so töten? Weil ich wütend bin? – Nein, kann ich mir nicht vorstellen.«
    Phil nahm einen Schluck Bier und senkte den Blick. »Vielleicht ist das tatsächlich davon abhängig, in welcher Umgebung man aufwächst. Zum Beispiel der Kleine, den Falk unbedingt mitnehmen wollte, Neil, der hat soviel Hass in sich. Eines Tages wird das aus ihm rausbrechen. Vielleicht wird er Sergio dann umbringen. – Generell würde ich sagen, dass jeder Mensch dazu fähig ist.«
    »Hört sich an wie so eine gezähmte-Raubtier-Theorie. Wenn das bisschen Zivilisation um uns herum wegbricht, sind wir ganz schnell wieder Tiere ...«
    Phil grinste mich breit an. »Ist das nicht auch so? – Ich sage dir etwas, Cieran. Etwas, das dich vielleicht erschüttern wird. Töten kann durchaus eine lustvolle Erfahrung sein. Nicht das Töten auf Entfernung, sondern das ganz nahe, intensive. Wenn man jemanden mit dem Messer aufschlitzt und ihm dabei in die Augen sehen kann. Wenn man spürt, wie heißes Blut einem über die Hände läuft ...«
    Ich starrte ihn entsetzt an. Versuchte, irgendeine Spur von Wahnsinn in seinen Augen zu erkennen; doch er grinste weiterhin. Sein äußerst angenehmes, offenes und liebenswürdiges Grinsen. Keine Spur von Geisteskrankheit. Wollte er mich hochnehmen? – Aber nein. Er meinte es ernst. Wenn ich ihn anschaute, konnte ich den Abgrund sehen.
    »Cieran ... verzeih mir, dass ich das so sage, aber manchmal habe ich den Eindruck, du hast noch nichts von der Welt gesehen. Und es wird noch eine ganze Weile dauern, bis du das Wesen des Menschen erkannt hast.«
     
     

42
    FALK
     
    Als ich die Einkäufe im Kofferraum verstaut hatte, setzte ich mich in den Wagen und öffnete eine Dose Cola. Nachdenklich nahm ich einen Schluck, spürte das leicht unangenehme Kribbeln im Hals. Auf dem Hinweg hatte ich einen Zeitungsladen erspäht. Ich wusste, dass ich mich schon lange genug in der Öffentlichkeit bewegt hatte. Die Chance, dass mich jemand erkannte, wuchs mit jeder weiteren Minute, die ich mich in der Stadt aufhielt. Trotzdem beschloss ich, in ein paar der Boulevardblätter zu sehen, ob nicht vielleicht doch noch irgendwelche Schmähungen über mich darin zu finden waren.
    Ich startete den Wagen und fuhr ein paar Hundert Meter die Straße entlang, bis ich vor dem Zeitungsladen eine Parkbucht fand.
    Es war ein angenehm lauer Abend, und so waren relativ viele Menschen auf den Straßen. Doch glücklicherweise befanden sich in diesem Viertel keine Kneipen und Bistros. Ich sah mich um, wartete, bis eine junge Familie an meinen Wagen vorbeigegangen war. Dann stieg ich aus und betrat eilig den kleinen, ein wenig heruntergekommenen Zeitungsladen.
    Ich sah aus den Augenwinkeln einen Mann, wahrscheinlich der Ladenbesitzer, den ich flüchtig grüßte, und steuerte auf die Regenbogenpresse zu. Ich hoffte inständig, dass die Story von Stuart und vor allem von Cieran noch nicht

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