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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Eichinger
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Schuldiger behandelt. Bernd ist der beste Beweis dafür, dass wenn man davon ausgeht, die Leute werden einen mögen, sie einen dann tatsächlich auch mögen. Das erste Mal, dass Bernd bewusst wurde, dass manche Amerikaner ihn allein aufgrund seiner deutschen Herkunft ablehnten und ihn auslachten, war beim ersten Test-Screening von »Die unendliche Geschichte« in den USA. Der Film war fertig und sollte einem Testpublikum an einem Samstagabend in Anaheim, einer Vorstadt von Los Angeles, gezeigt werden. Im Kinosaal saßen nur Teenager, die an einem Samstagabend nichts Besseres zu tun, keine Verabredung und somit auch keine Aussicht auf Sex hatten. Keine gute Voraussetzung für einen Film wie »Die unendliche Geschichte«, der ohne Sex und ohne Gewalt keinerlei Sublimierungspotenzial für überschüssige Hormone liefert. Schon bei den Anfangstiteln gingen die Lacher los: Bernd Eichinger?? Hahahaha, was ist denn das für ein bescheuerter Name? Klingt wie eine Vireninfektion! Es war ein tiefer Schock für Bernd. Das Test-Screening war grauenhaft, wohl die schlimmsten neunzig Minuten in Bernds Karriere. Die Zuschauer johlten und verließen reihenweise den Kinosaal. Die Testergebnisse waren unterirdisch. Bernd verzweifelte. Er war mit sich selbst, mit seinem Film, mit der Welt am Ende. »Die unendliche Geschichte«, da war er sich nun sicher, würde ein großer Reinfall werden.
    Terry Semel von Warner Brothers sah Bernds Verzweiflung und legte einen Arm um seine Schultern. Er solle sich keine Sorgen machen, das sei doch gar nicht das Zielpublikum für »Die unendliche Geschichte« gewesen. Für morgen sei ein Test-Screening zur Sonntagsmatinee angesetzt. Da würden lauter Kinder kommen. Das würde bestimmt besser werden. Terry Semel sollte recht behalten. Die Kinder staunten über den Glücksdrachen, litten mit dem in den Sümpfen der Traurigkeit ertrinkenden Pferd, lachten über die Rennschnecke. Der Name des Produzenten, den die meisten sowieso nicht lesen konnten, war ihnen egal. Das Test-Screening mit Kindern war ein voller Erfolg. An Terry Semels fürsorgliche Geste und seine Behutsamkeit sollte sich Bernd immer mit großer Dankbarkeit erinnern. Später in seiner Karriere, als er sich als Produzent oder Verleiher in vergleichbaren Situationen wiederfand – zum Beispiel bei dem ersten vernichtenden Test-Screening von »Der Schuh des Manitu« –, versuchte er sich ähnlich wie Semel zu verhalten.
    »Die unendliche Geschichte« war bereit für die Welt. Doch vor dem Kinostart musste Bernd, ähnlich wie der Prinz im Märchen, noch seine letzte, die schwerste Aufgabe vollbringen: Er musste sich dem Damoklesschwert stellen, das über seinem Haupt schwebte. Er musste den Film Michael Ende zeigen.
    Um den unendlichen Streit, der folgte, nachdem Ende den Film gesehen hatte, kurz zu machen: Michael Ende fand die Verfilmung alles andere als sakral. Ende war noch immer entsetzt. Nachdem er schon während der Drehbuchstreitigkeiten seinem Unmut gegenüber Journalisten Luft gemacht hatte, entschloss er sich auch jetzt für den Weg der öffentlichen Schlammschlacht. Er wünschte Bernd »die Pest an den Hals«, denn Bernd habe ihn reingelegt. Von Wolfgang Petersen behauptete er: »Was der mit mir gemacht hat, ist menschliche Gemeinheit, ist künstlerischer Verrat.« Der Film sei, so verlautete Ende, ein »gigantisches Melodram aus Kitsch, Kommerz, Plüsch und Plastik«, und am liebsten würde er ihn »im Vesuv versenken«. Damit sagte Ende letztendlich nichts Neues, denn genau dieses Urteil hatte er schon Monate zuvor gefällt, als es noch um das Drehbuch ging. Aber dieses Mal ging Ende noch weiter. Er zog seinen Namen vom Film zurück. Außerdem drohte er mit einer einstweiligen Verfügung, die verhindern sollte, dass der Film in die Kinos kam. Das Damoklesschwert war wie ein Fallbeil auf Bernd hinuntergesaust. Es war nur noch eine Frage von Millimetern, bis sein Kopf rollen würde.
    Es war ein existenzielles Problem. Bernd sah seine Existenz als Produzent und Verleiher bedroht. Michael Ende dagegen gab an, dass seine »künstlerische Existenz« mit diesem Film auf dem Spiel stünde. Dabei war es seine Existenz als Guru der Alternativbewegung, die auf dem Spiel stand. Im Film sah er genau den Kommerz propagiert, den sein Buch doch verurteilte. Doch was hatte seine Existenz als Schriftsteller mit der Verfilmung eines seiner Bücher zu tun? Eine Verfilmung ist immer beides – ein Verrat an der Phantasie und zugleich die

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