BE (German Edition)
Drehbuch nur auf dem ersten Teil des Romans. Die Vorstellung, die nächsten zwei Jahre wieder im Haulewald zu verbringen, wieder in Michael Endes Fabelwelt zurückzukehren, nachdem der Autor ihn so beschimpft und verletzt hatte, war Bernd jedoch zuwider. Er wollte die Erfolgsformel nicht so lange ausquetschen, bis sie niemand mehr sehen wollte. Er war jung, er wollte sich neuen Herausforderungen stellen. Und vor allem wollte er nie wieder etwas mit Michael Ende zu tun haben! Also übte er die Option auf die Sequel - und Remake -Rechte nicht aus. Das waren für ihn Altlasten. Auf seinem Weg nach oben wollte er die nicht mit sich herumschleppen. Mit den darauffolgenden Filmen »Die unendliche Geschichte 2« und »Die unendliche Geschichte 3« hatte Bernd also nichts mehr zu tun. Wohl aber Michael Ende. Über letztere Tatsache schüttelte Bernd auch zwanzig Jahre später noch den Kopf. Ende, der von Bernds Produktion noch seine »künstlerische und moralische Existenz« bedroht gesehen hatte, hatte plötzlich keine Probleme mehr damit, sich für so eine zynische und qualitativ minderwertige Ausreizung seines Romans zur Verfügung zu stellen. Bernd ließ »Die unendliche Geschichte« mit einem sauberen Schnitt hinter sich und startete ohne Ballast in sein nächstes Abenteuer: »Der Name der Rose«.
Umberto Eco war Bernd und Herman Weigel schon während ihres Studiums an der HFF München aufgrund seiner Aufsätze über Semiotik ein Begriff gewesen. Semiotik (nach dem griechischen Wortσημειιον, Zeichen, Behauptung) hatte mit der kulturellen Revolution von 1968 auch die Filmtheorie revolutioniert. Semiotik, so wie ihr Begründer Ferdinand de Saussure sie verstand, bedeutete das Ende der traditionellen Ästhetik und ersetzte die Vorstellung von Kunst als Vermittlung inspirierter Visionen mit der Hypothese, dass alle Bedeutungen und ästhetischen Wirkungen im Rahmen von Strukturen und Mechanismen erklärbar seien. In anderen Worten, Kunst wurde aus den höheren Sphären auf den Boden der Tatsachen geholt und der Ratio unterworfen. Damit war Eco ein Mann ganz nach Bernds und Hermans Geschmack.
Als sie nun erfuhren, dass Umberto Eco seinen ersten Roman geschrieben hatte, wurden sie sofort hellhörig. Der Roman bestätigte dann auch alle Erwartungen: Wie ein Science-Fiction-Film entführte Eco den Leser in »Der Name der Rose« in eine völlig andere Welt – eine Welt, deren Bewohner völlig andere Werte, Ängste und Begierden haben. Und obwohl diese Welt so anders ist als die unsere, schaffte es Eco, sie uns dadurch zu vermitteln, dass die Hauptfigur William von Baskerville eine quasi moderne Figur ist, die uns ins Mittelalter führt. Beim Lesen vergisst man die eigene Welt und wird hineingesogen ins Mittelalter, beginnt in mittelalterlichen Strukturen zu fühlen und zu denken. Noch dazu handelte es sich um einen Krimi, bei dem gemordet wird – und zwar nicht aus niederen Gründen wie Eifersucht oder Rache –, sondern vielmehr, weil man dem Lachen eine solche revolutionäre Kraft bemisst, dass es die Machtstrukturen zerstören könnte. In »Der Name der Rose« wird gemordet, damit nicht gelacht wird. Was für eine phantastische Allegorie für einen wie Bernd, der ausgezogen war, um dem modernen deutschen Kino die Unterhaltung beizubringen! Herman rief also den Verleger Michael Krüger an, in dessen Hanser Verlag »Der Name der Rose« erschienen war. Ob denn die Verfilmungsrechte zu Ecos Roman noch zu haben seien. Krügers Antwort: »Ja, da musst du früher aufstehen!« Die Verfilmungsrechte lagen bei einem namhaften französischen Produzenten namens Gérard Lebovici, der nicht nur Filme produzierte, sondern in Frankreich neben anderen auch George Orwell verlegte. Da hatte Bernd keine Chance.
Lebovici hatte als Verleger von George Orwell natürlich auch dessen dystopischen Roman »1984« herausgebracht, ein Roman über das Ende der Gedankenfreiheit. Und so ist es denn grausame Gleichzeitigkeit, dass Lebovici am 5. März 1984 in einer Pariser Tiefgarage hinter dem Lenkrad seines Renaults mit vier Pistolenkugeln in seinem Kopf aufgefunden wurde. Der Mordan Lebovici wurde nie aufgeklärt. Viele Legenden ranken sich um seinen Tod. Manche vermuten, dass es sich um eine Mafia-Hinrichtung handelte, andere um ein Attentat der radikalen Linken und wieder andere sehen in dem Verbrechen einen Akt der Situationisten, die Lebovici finanziell unterstützte. Ungeklärt war auch, was mit den Filmrechten an »Der Name der Rose«
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