BE (German Edition)
Wohnzimmer mit den blaugelb gestreiften Chintz-Sofas und dem blaugelben chinesischen Teppich vor dem offenen Kamin. Bernd liebte die Farbkombination blaugelb, die sich überall wiederholte, bei Polstern, Markisen, Kissenbezügen etc. pp. und auch Teil der Berndschen Ikonologie war. Bernd saß immer in seinem gepolsterten Armchair mit Blick zum Eingang, und wir drei haben uns dort viele, viele Nächte um die Ohren geschlagen, wenn die letzten Gäste bereits gegangen waren oder wir von einem unserer Dinner oder Screenings zurückgekehrt waren. Meistens endete die Nacht mit lautem Abspielen von Maria-Callas-Arien oder einer gelegentlichen Mozart-Symphonie, genial luftdirigiert von Bernd. Die Getränke du choix waren damals Wodka und Weißwein für ihn, Dom Perignon für die Damen. Dort haben wir uns tage- und nächtelang Videos (kaum vorstellbar, eine Zeit vor der DVD) reingezogen, und anschließend wie in einem echten Filmseminar diskutiert, was man hätte besser machen können. Nur TERMINATOR (1 und 2) waren jenseits des Zweifels und wurden mit lauten Bewunderungsrufen begleitet. Und da Bernd, wenn er etwas wirklich gern mochte, es eigentlich IMMER und immer wieder haben wollte, liefen diese Filme Dutzende und Aberdutzende Mal in der Wiederholungsschleife auf dem großen TV. Draußen konnte die Welt einstürzen – aber in der Bernd-Bubble war man sicher im geordneten Universum der perfekten Film-Illusion.
Ich erinnere mich noch, es war einer jener besonders schönen ersten Frühlingstage, wenn die Luft klar ist, als Robert und ich, entgegen unserer üblichen Routine, bereits nach DER PATE 2 die ungewöhnliche Idee hatten, ein wenig mit Wodka an die frische Luft zu gehen, wir wollten nämlich ans Meer. Bernd, noch in seinem hellblauen Frottee-Bademantel, für den das Wort »gehen« eine Bedrohung an sich darstellte, ließ sich noch mal genau die Fernbedienung erklären und deckte sich neben seinem Sessel mit ein paar weiterer Dosen Miller Light ein, um den dritten Teil von DER PATE doch »noch mal in Ruhe« anzusehen. Als wir sechs Stunden später wieder aufkreuzten, saß Bernd immer noch in demselben Sessel, demselben Bademantel, inmitten Dutzender leerer Bierdosen und meinte nur fröhlich »Ach, ihr seid schon wieder da«. Er hatte nach dem dritten PATEN noch mal von vorne angefangen und war inzwischen wieder genau dort gelandet, wo wir ihn morgens verlassen hatten.
Wir drei lebten in der Bernd-Bubble, zwischen Haus, Office, Le Dome (später auch noch Drai’s Restaurant) und diversen Kinos, und es fühlte sich immer so an, als ob wir sturmfreie Bude hätten, und unsere Eltern gerade mal auf einer sehr, sehr langen Reise waren. Bernd hat uns immer als Teil seiner Familie betrachtet, auch dann, wenn Bernds Mutter Ingeborg oder Nina zu Besuch waren, die immer »Schloss Angeles« sagte. Was total Sinn machte. Es ging immer darum, den maximalen Spaß zu haben, den perfekten Tag zu erleben und in jeder Minute genau das tun zu können, worauf man Lust hat – frei nach dem Motto: Das Leben ist keine Probe. Die Vorstellung einer normalen bürgerlichen Existenz hat Bernd eigentlich immer eher erschreckt, er hat immer nach alternativen Modellen Ausschau gehalten und schon von Anfang an die Utopie dieser perfekten Wohngemeinschaft zwischen Künstlerkolonie und Großfamilie gehabt, wo er sich ausmalte, wie das sein würde, später, wenn wir alle »richtig alt« wären, und dann gemeinsam ein Schloss hätten, wo jeder seinen eigenen Flügel bewohnte. Was wir damals nicht realisierten war, dass wir diese Utopie bereits lebten.
Bernd hat Robert und mich als Paar oft mit einer Mischung aus Faszination und Grauen beobachtet, vor allem unsere Streitkultur, da wir nie ein Blatt vor den Mund nahmen und uns böse Schlagabtausche lieferten, auch direkt vor seiner Nase – nur um uns Minuten später ebenso leidenschaftlich wieder zu versöhnen. In seinem Selbstverständnis hat er es für sich selbst strikt abgelehnt, in solche explosiven Situationen mit einer Frau zu geraten, er war sehr zart besaitet, andererseits hat ihn das durchaus beschäftigt, da es ja offensichtlich schon jahrelang zwischen uns funktionierte. Als Robert und ich heirateten und auszogen, hat Bernd als unser Best Man eine tolle Party für uns in der Cherokee Lane geschmissen. Nachdem alle Gäste gegangen waren und Bernd nochmals von einem einsamen Pianisten begleitet Joe Cockers »You are so beautiful to me« intoniert hatte, dämmerte es bereits.
Weitere Kostenlose Bücher