BE (German Edition)
Wir saßen zu dritt im ausgeräumten Wohnzimmer und haben auf die Liebe angestoßen – die Jungs mit Wodka (dem Getränk), ich mit Dom Perignon – und unsere Gläser geschmissen, die genau auf einem Haufen landeten, wobei die Teile so miteinander vermischt waren, dass man nicht mehr erkennen konnte, was welches Teil war. Der Moment hat sich mir für immer als das perfekte Bild unserer tiefen Freundschaft eingebrannt.
Los Angeles, 26. August 2011
Leni und Robert waren dabei, als Bernd starb. Ohne die beiden hätte ich die Nacht nicht gepackt. Bernd hat in ihnen zwei wirklich gute Freunde gefunden. Die besten, die man sich wünschen kann.
Development Hell
IN sein L. A.-Tagebuch klebte Bernd eine Liste mit dem Titel »Alle gelesenen Scripts 90/91«. Es sind 368 Drehbücher darin gelistet. Darunter Skripte wie Roman Polanskis »Bitter Moon«, »Zorro« (Bernds Kommentar: »Spielberg?«), »König der Fischer«, »Der letzte Mohikaner«, »Gottes Werk und Teufels Beitrag«, »Der Unsichtbare« und »Bad Lieutenant«. Bernd erzählte, es sei so eine Schwemme an Drehbüchern gewesen, er hätte manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen. Seine Development-Chefin Ruth Vitali, die für die Drehbuchentwicklung und Akquise zuständig war, sei jeden Morgen im Büro erschienen und hätte erst einmal eine zweiseitige Telefonliste heruntertelefoniert und ihm dann alle möglichen Drehbücher zu lesen gegeben. Das war für Bernd keine Art, Filme zu machen, weil man sich so viel zu sehr in den Gedanken anderer verfranst und gleichzeitig sich selbst verliert. Zwar sah auch Bernd die Vorzüge eines industrialisierten Development-Prozesses, wie er in Hollywood und auch von der Constantin Film in Deutschland betrieben wird, aber für ihn selbst kreierte dies auf Dauer eine Beliebigkeit, die ihn deprimierte.
Gleichzeitig entwickelte Bernd selbst Stoffe, was das Zeug hielt. Ein Verleihapparat wie die Constantin Film ist schließlich ein hungriges Monster, das gefüttert werden will. Zu den Projekten, die das US-Büro der Constantin Film zum Beispiel im Jahr 1991 aktiv verfolgte, gehörten »Hallo Mister Gott, hier spricht Anna« mit Sönke Wortmann als Regisseur, »Salz auf unserer Haut«, »M – Eine Stadt sucht einen Mörder« (Remake des Fritz-Lang-Klassikers – übrigens von David Lynch!), »Der Zementgarten«, »The Laughing Sutra« (chinesischer Junge reist mit einem Unsterblichen durch die USA auf der Suche nach einer Schriftrolle), »Every Woman Loves a Russian Poet« (Frau verliebt sich in ihren Psychoanalytiker und gleichzeitig in einen russischen Dichter), »Perry Rhodan« (nach der Sci-Fi-Buchserie), und »It’s a Little Too Late For a Lovesong« (Beziehungsdrama).
Drehbuchentwicklung ist ein teures, risikoreiches Geschäft. Man weiß schließlich nie, was am Ende dabei herauskommt. Auch die ganz großen, teuren Autoren können schlechte Tage haben. Bernd erzählte mir von einer Autorin, die ein schreckliches Drehbuch abgeliefert hatte – obwohl sie einen Oscar gewonnen hatte. Erst später stellte sich heraus, dass sie ihr Oscar-Drehbuch nicht selbst geschrieben hatte. Vielmehr hatte es ein sehr berühmter Hollywoodregisseur für sie geschrieben, weil sein Rottweiler ihr ins Gesicht gebissen hatte und er ihr dankbar gewesen war, dass sie ihn nicht verklagt hatte.
Von den vielen Drehbüchern, die Bernd in L. A. entwickelte und die viel Geld auffraßen, lag ihm eines ganz besonders am Herzen, und er versenkte darin Millionen: »The Stars My Destination«, ein Sci-Fi-Thriller basierend auf einem Roman von Alfred Bester. Bernd hatte lange gekämpft, um die Rechte an diesem Buch zu erlangen. Es handelt von einem einfach gestrickten Astronauten, der im Zuge eines Rachefeldzugs eine Bewusstseinserweiterung erlebt, seinen tiefsitzenden Zorn auf die Welt jedoch nie ganz ablegen kann. Neben Bernd hatte auch Joel Silver, der spätere »Matrix«-Produzent, die Rechte erwerben wollen. Als Bernd schließlich den Zuschlag erhielt, kam Silver zu Bernd und bot ihm an, gemeinsame Sache zu machen: Silver hatte schon Mel Gibson für die Hauptrolle an Bord. Zusammen würden sie diesen doch sehr hochbudgetierten Film schon geschaukelt bekommen. »Das war wohl der größte Fehler meiner Karriere, dass ich dieses Angebot ausgeschlagen habe!«, meinte Bernd. »Ich war einfach zu unerfahren und zu arrogant. Ich dachte, ich bräuchte Joel Silver nicht. Aber wir haben einfach kein gutes Drehbuch zustande bekommen, und so
Weitere Kostenlose Bücher