BE (German Edition)
sehr begeisterte. Als dann 1985 Süskinds Roman »Das Parfum« erschien und das Buch in seiner Wucht, in seiner Sprachgewalt, in seiner Morallosigkeit und Sinnlichkeit den Lesern die Pforte in ungekannte Phantasiewelten eröffnete und dabei die Welt eroberte, stand für Bernd fest: Dieses Buch wollte er verfilmen! Der Roman wurde in 47 Sprachen übersetzt und mittlerweile zwanzig Millionen Mal verkauft. Kein anderer deutscher Roman der Gegenwartsliteratur hatte auch nur Annäherndes erreicht. Dazu war er noch gewissermaßen vor Bernds Augen – wenn auch ohne sein Wissen – entstanden. Wer, wenn nicht Bernd, sollte »Das Parfum« also verfilmen? Die Geschichte dieses olfaktorischen Genies, das Perfektion erschaffen will, um sich selbst zu manifestieren, war das nicht auch Bernds Geschichte? Jean-Baptiste Grenouille, die Hauptfigur in »Das Parfum«, ist ein Autist, der die Welt nur über die Sprache der Düfte wahrnehmen kann. Er setzt alles aufs Spiel, ja er geht buchstäblich über Leichen, um so etwas Vergängliches und Flüchtiges und dennoch Unwiderstehliches und Manipulatives wie den ultimativen Duft zu schaffen. Auch Bernd, der die Welt nur über Kino wahrnahm, setzte immer wieder Himmel und Hölle in Bewegung, indem er versuchte, den perfekten Film zu schaffen – und was ist Kino schon? Nichts anderes als Licht und Schatten! Ein Film ist ungreifbar wie ein Duft, ein flüchtiges Wesen, das doch eine Macht auf den Menschen auszuüben imstande ist, der sich niemand entziehen kann.
Doch Patrick Süskind weigerte sich, die Filmrechte zu verkaufen. Es war einfach nichts zu machen. Der öffentlichkeitsscheue Autor blockte jedes Angebot ab. Stattdessen schrieb er gemeinsam mit seinem Freund Helmut Dietl das herrlich selbstironische Drehbuch zu Dietls Film »Rossini«. Den Film darüber, wie Bernd »Das Parfum« unbedingt verfilmen wollte, gab es also schon. Nun musste er ihn nur noch verfilmen.
Bernds Überlegungen, an den Romanstoff zu kommen, gingen sogar so weit, dass er in Erwägung zog, den Züricher Diogenes Verlag, wo »Das Parfum« erschienen war, zu erwerben. Als er jedoch feststellen musste, dass die Filmrechte nicht beim Verlag, sondern bei Süskind selbst lagen, gab er diese Überlegungen auf. Sechzehn Jahre musste Bernd warten, dann auf einmal waberten Gerüchte durch den Äther des internationalen Filmgeschäfts: Ja, Patrick Süskind wolle verkaufen.
Im Jahr 2000 erreichte Bernd Kunde, dass es drei weitere Mitbewerber um den Stoff gab, die nicht von schlechten Eltern waren: Martin Scorsese, Ridley Scott und – der war nun wirklich ein Problem – Steven Spielberg. Sie alle wollten unbedingt »Das Parfum« verfilmen – einen Stoff, der als unverfilmbar galt. Sie alle waren wie Bernd angefixt von Grenouille, dem Genie der geheimnisvollen Welt der Düfte, der das schaffte, was sich jeder Filmemacher erträumt: mit seiner Kunst den Verstand auszuschalten und die Menschen in der Tiefe ihrer Seele berühren, sodass sie sich von ihm in seine Träume entführen lassen.
Aufgrund des massiven Kalibers seiner Mitstreiter wusste Bernd: Er musste handeln, und zwar sofort. Gemeinsam mit Martin Moszkowicz flog er an einem Samstag nach Zürich, um dort Daniel Keel, den Inhaber des Diogenes Verlags, zu treffen. Keel hatte für Süskind die Verhandlungen zu den Filmrechten übernommen. Da es ein Wochenende war, war das Verlagsgebäude leer. Auch von Patrick Süskind war nirgendwo eine Spur. Bernd und Martin saßen also mit Keel auf der Couch in seinem Büro. Man schaute sich an. Dann begann Bernd ohne Umschweife: »Ja, also wir wollen die Rechte zum Parfum kaufen.« Keel machte Bernd auf seine schweizerische Art klar, dass er mit diesem Ansinnen nicht alleine war. Es gab substanzielle Angebote von Amerikanern … Bernd: »Und wenn wir das zusammen machen würden, wie viel soll’s kosten?« Keel nannte, so erzählte mir Bernd, einen zweistelligen Millionenbetrag. Bernd und Martin schauten sich an und schluckten. Das war der höchste Betrag, der jemals in der Filmgeschichte für einen Romanstoff gezahlt worden war. Und die kleine Constantin aus Deutschland, ein Wicht im Vergleich zu den großen US-Studios, sollte das stemmen? Das war nicht nur hart am Wind gesegelt, das war Wahnsinn. Bernd zu Keel: »Können wir mal ’ne Zigarette rauchen gehen?« Keel nickte. Für eine Zigarette war Zeit, aber viel länger nicht … die Amerikaner wollten Tacheles reden!
Es war die teuerste Zigarette, die Bernd und Martin
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